In den kommenden Tagen beraten Sie sich mit zahlreichen Innenminister-Kollegen über die Rückführung von abgelehnten Migranten. Was ist hier das Ziel?
Gerhard Karner: Dass wir die Rückführungen verstärken. Österreich ist hier auf einem guten Weg und gehört zum vorderen Drittel. Unser Modell soll auch Vorbild für andere sein. Vor allem die Länder am Westbalkan sollen unterstützt werden, dass jene ohne Bleibechancen gleich in ihre Herkunftsländer zurückgebracht werden, bevor sie in Länder wie Österreich weiterziehen. Oberstes Ziel muss sein, den Schleppern das Geschäft zu entziehen. Wir werden intensive Gespräche führen, wie schon beim informellen Rat in Lille.

Nach diesem Treffen mussten Sie eine von Frankreich verkündete Einigung dementieren, was die Verteilung von Asylwerbern betrifft. Wie weit liegen die Positionen in dieser Frage auseinander?
Wir sind uns in mehr Punkten einig, als es den Anschein hat. Bei der Verteilung sind wir aber unterschiedlicher Meinung. Österreich ist über Gebühr belastet und ich halte das für ein falsches Signal an Schlepper, dass Asylwerber dann ohnehin verteilt werden. Wer kein Recht auf Asyl hat, soll schnellstmöglich rückgeführt werden.

Sind die Menschen erst hier, scheitern Rückführungen oft an fehlenden Abkommen mit Herkunftsländern, die ihre Bürger nicht zurücknehmen. Wird auf EU-Ebene zu wenig verhandelt?
Das Thema wird auch auf anderen Ebenen diskutiert. Die EU-Wirtschaftsminister etwa prüfen, Hilfen für Länder einzuschränken, die sich nicht kooperativ zeigen. Ich gehe davon aus, dass auch Herkunftsländer kein Interesse daran haben können, dass sie ihre Bevölkerung an Europa verlieren. Zudem bemühen wir uns auch um bilaterale Abkommen. Denn jede einzelne Rückführung ist ein Signal gegen die Schlepperei.

Ein Signal der Abschreckung?
Das können Sie so interpretieren. Ich sehe das als realistische Einschätzung für jene, die sich in Richtung Europa aufmachen. Denn die Schlepper zeichnen ein falsches Bild.

Rückführungen nach Afghanistan sind derzeit aufgrund der politischen Situation im Land nicht möglich. Wie sieht der Plan der EU-Staaten hier aus?
Oberstes Ziel muss es natürlich sein, dass im Land möglichst bald wieder Stabilität und ein wirtschaftliches Fortkommen möglich wird. Nur dann können afghanische Bürger in der EU wieder in ihre Heimatregion zurückkehren. Das wird aber freilich ein Bohren harter Bretter.

In Österreich belegt Afghanistan als Herkunftsland Platz zwei bei den Asylanträgen. Fehlende Abschiebemöglichkeiten garantieren das Recht zu bleiben. Wie wollen Sie damit umgehen?
Dieses Recht ist ja nicht von Dauer.

Wird man sich also alle Asylbescheide aus Afghanistan ausheben lassen, sobald sich das Land wieder stabilisiert?
Selbstverständlich, das muss das Ziel sein. Dänemark geht hier genauso vor. Das ist ja die Idee von subsidiärem Schutz: Wenn sich die Situation im Herkunftsland ändert, sollen die Menschen wieder dorthin zurück. Wir werden im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die notwendigen Ressourcen sicherstellen, um diese Fälle dann erneut zu prüfen.

Hat Europa aus der Fluchtbewegung 2015/2016 gelernt? Das Migrationspaket ist ja noch immer nicht in trockenen Tüchern.
Es ist gut, dass es unterteilt wurde. Wenn man beim großen Schritt stolpert, muss man kleine machen. Ich glaube, dass sich – unabhängig von Parteizugehörigkeit – die Blauäugigkeit mancher Länder in einen realistischen Blick gewandelt hat.