Chats auf dem Handy des früheren Kabinettschefs im Innenministerium (BMI), Michael Kloibmüller, bringen beinahe alltäglich anmutende politische Postenbesetzungen der ÖVP ans Licht. In einer weitergeleiteten Nachricht heißt es laut "Spiegel" etwa: "Gestern hast gut getanzt, vielleicht kann die Polizeivertretung nach deiner Melodie tanzen und mein (sic!) Schwager (...) nach St. Pölten versetzen".

Ein anderes Mal wird Kloibmüller gefragt: "Brauchst Du Bewerbungsschreiben?? (sic!) Oder reicht der Lebenslauf von der Schwiegertochter meines Kollegen!!"

Statistisch auffällig

Die Herkunft der Nachrichten ist umstritten, sollen die Daten auf dem Mobiltelefon doch gestohlen worden sein. Doch die Menge an politischen Eingriffen in den schwarz geführten Sicherheitsapparat ist auch statistisch auffällig.

Mit rund 30.000 Polizeibeamten in ganz Österreich ist das BMI zwar für besonders viele Postenbesetzungen zuständig, im Bildungsbereich besetzt der Bund aber noch mehr. Dennoch wurden im Bildungsministerium laut dem Politikwissenschaftler Laurenz Ennser-Jedenastik zwischen 2006 und 2021 nur fünf Anträge wegen Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung bei der Bundes-Gleichbehandlungskommission gestellt.

Im Innenministerium waren es 95, fast dreimal so viel wie in allen anderen Ministerien zusammen. Während die Chats nur bis 2017 reichen, zeigt die Statistik: Leichter dürfte es für politisch ungenehme Kandidaten nicht geworden sein. So wurde 2016 – das Jahr, in dem viele der publik gewordenen Chats spielen – 17 Anträge eingebracht. 2020 waren es 19, 2021 immer noch 12. Rund jedem zweiten Antrag wird stattgegeben – hier ist das BMI mit den anderen Ministerien gleichauf.

Druck von ganz oben – nach ganz unten

Im BMI wird betont, dass neben dem Personalstand auch auf die Zahl der Besetzungen geachtet werden müsse. Denn im Gegensatz zu Lehrern gibt es bei der Polizei eine detaillierte Hierarchie. Ohne Versetzungen und Dienstzuteilungen werden im BMI jährlich zwischen 1000 und 1200 Besetzungen durchgeführt.

SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner bringt nun eine parlamentarische Anfrage ein. Schon vor den neuesten Enthüllungen habe er immer wieder von Druck auf Polizisten gehört, sagt der gebürtige Steirer: "Da geht es gar nicht immer um Spitzenjobs, auch bei normalen Posten in Inspektionen spielt das Parteibuch eine Rolle."

Das zeigen auch Chats auf dem Handy von Kloibmüller. So berichtete „zackzack“ etwa, dass sich Sobotka als Minister für einen ÖVP-nahen Bewerber um den Posten des Vize-Polizeichefs von Wieselburg stark gemacht haben soll. „Je weiter unten, desto weniger Einfluss sollte die Politik eigentlich haben“, sagt der Politikwissenschaftler Ennser-Jedenastik. Bei einem Aufsichtsrat einer staatlichen Beteiligung sei eine politische Nominierung argumentierbar bei regionalen Polizeikommandanten nicht.

Posten werden nicht neu ausgeschrieben

Doch die Kosten-Nutzen-Rechnung spricht oft für den Postenschacher: Benachteiligte Bewerber können Schadenersatz und Gehaltsaufzahlungen einklagen, der Posten bleibt aber besetzt. Das ist nicht nur im BMI ein Problem, wie der Fall Wöginger rund um die Bestellung des Vorstands eines Finanzamts zeigt.

Positionen neu auszuschreiben, würde Postenschacher unattraktiver machen, argumentiert Ennser-Jedenastik. Die Macht der Politik, Posten zu besetzen, könne man aber schwer einschränken, so der Politikwissenschaftler. Daher brauche es den Fokus der Medien und der Justiz, denn: "Es wirkt im Moment so, als würden wir neue Korruption aufdecken, aber eigentlich entdecken wir Teile eines alten Systems, das verdeckt war."