Wenn es um die Besetzung von Polizei-Chefposten in Niederösterreich ging, soll Wolfgang Sobotka in seiner Zeit als ÖVP-Innenminister (April 2016 bis Dezember 2017) persönlich kräftig mitgemischt haben. Das legen rund 30 Chats aus dem Handy von Michael Kloibmüller, dem damaligen Kabinettschef im Ministerium, nahe. Sämtliche Chats aus diesem Handy übergab das Online-Medium "ZackZack" heute an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. "Es geht um parteipolitische Interventionen des Ministers", sagt "ZackZack"-Herausgeber Peter Pilz. "Und Wünsche eines Ministers sind im Endeffekt nichts anderes als Weisungen."
Laut "ZackZack" machte sich Sobotka zum Beispiel am 31. Mai 2016 für Günther F. stark, der sich um den Posten des Vize-Polizeichefs von Wieselburg beworben hatte. Der Minister schrieb an seinen Kabinettschef Kloibmüller: "Wurde gebeten, ein gutes Wort für ihn einzulegen. Da er in der FCG (Anmerkung: FCG = Fraktion Christlicher Gewerkschafter, die ÖVP-Gruppierung in der Gewerkschaft) recht fleißig ist, mach ich das gerne." Tatsächlich wurde der "fleißige" ÖVP-Gewerkschafter F. zum Kommandanten-Vize befördert und zwei Jahre später dann zum Chef der Polizeiinspektion.
In einem anderen Fall wollte der Polizist Philipp H. von Mödling nach Waidhofen versetzt werden. Parteifreund "Ignaz" leitet die Bitte an den Minister weiter. Darauf Sobotka an seinen Kabinettschef: "Schau dir die Sache nochmals an und gib mir eine Info." Doch die Sache klemmt, und "Ignaz" ist darüber "voll sauer": "Trotz aller Ersuchen bekomme ich für einen ÖVPLER keine Unterstützung", beschwert er sich beim Minister. Der wird daraufhin gegenüber seinem Kabinettschef Kloibmüller deutlich: "Ich brauch da eine Nachricht, vor allem bevor sie draußen ist (...) Stopp den Vorgang bis ich Klarheit habe GglG Wolfgang." Kloibmüllers Antwort: "Ok."
"ZackZack" resümiert: "Rund um die Uhr verlangten ÖVP-Funktionäre, Christgewerkschafter und schwarze Exekutiv-Kameraden Belohnungen für ihre Parteitreue." Das Ausmaß der Parteibuchwirtschaft im Innenministerium zeigt sich auch deutlich im Vergleich zu anderen Ministerien, wie der Politikwissenschafter Laurenz Ennser-Jedenastik herausarbeitete.
Zwar bestellt das BMI mit rund einem Viertel aller Personen im Bundesdienst besonders viele Posten, bei allen anderen Ministerien zusammen wurde aber nur ein Bruchteil an Beschwerden wegen Diskriminierung aufgrund von Weltanschauung eingebracht.
Tanz der Polizeivertretung
Chats, die das deutsche Magazin "Der Spiegel" veröffentlichte, zeigen, wie alltäglich Postenvergaben über den Tisch von Michael Kloibmüller liefen. In einer weitergeleiteten Nachricht heißt es etwa: "Gestern hast gut getanzt, vielleicht kann die Polizeivertretung nach deiner Melodie tanzen und mein (sic!) Schwager (...) nach St. Pölten versetzen".
Laut "zackzack" soll die Nachricht ursprünglich an den damaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling gegangen sein. Der offenbar tanzfreudige Minister leitete die Nachricht laut "zackzack" an den Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid weiter, der den Wunsch wiederum an Kloibmüller sendete - inklusive Telefonnummer eines Polizei-Gewerkschafters.
Noch informeller lautete ein anderer Chat: "Brauchst Du (sic!) Bewerbungsschreiben?? Oder reicht der Lebenslauf von der Schwiegertochter meines Kollegen!!"
Hohe Unterstützer
Die Personalanfragen kamen mitunter von bekannten Namen. Laut "Standard" wandte sich Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) als Landeshauptfrau an ihren ehemaligen Kabinettschef. Das Anliegen? Ein Praktikum für ein Familienmitglied.
Ein Mitarbeiter im Asylbereich erhielt gleich doppelt prominente Unterstützung: Sowohl der nunmehrige Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) als auch ÖVP-Klubchef August Wöginger machten sich laut "Standard" für den Oberösterreicher stark. "Das ist er. CV bei dir per Mail. LG Karl", kündigte Nehammer den Lebenslauf an Kloibmüller an. Wöginger schickte laut Standard die Kontaktdaten eines damaligen oberösterreichischen Landtagsabgeordneten und Bürgermeisters, der "bitte wegen Verlängerung" des Vertrags des Mitarbeiters angerufen werden sollte.