Die Impflotterie wackelt. Im Bundeskanzleramt werden Meldungen, dass die zwischen der Regierung und der Opposition vereinbarte, fast eine Milliarde Euro schwere Impflotterievor dem Aus steht, nicht bestätigt. Allerdings will man nicht mehr die Hand ins Feuer legen, dass sie fix stattfindet. "Es finden heute und nächste Woche noch Gespräche auf höchster Ebene statt", versichert ein Sprecher des Bundeskanzlers im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. "Der Ausgang ist offen." Nächste Woche falle die Entscheidung.
Fix ist, dass der ORF die Impflotterie nicht abwickeln wird. Gespräche mit dem Sender hätten ergeben "dass der ORF sich - aufgrund rechtlicher Bedenken - außerstande sieht, dieses Vorhaben organisatorisch abzuwickeln", heißt es vonseiten der Bundesregierung. Die Regierung arbeitet nun "an der Entwicklung rechtskonformer Alternativen". Auch eine Verschiebung um "einige Monate" wird geprüft.
Schon in den letzten Tagen hatten Gerüchte die Runde gemacht, die Lotterie würde nicht vom ORF, sondern von einem externen Dienstleiter abgewickelt werden. Zum einen stoße der ORF auf technische Probleme, zum anderen wolle man – nicht zuletzt unter dem Eindruck der jüngsten Sideletter – beim öffentlichen rechtlichen Rundfunk nicht den Eindruck erwecken, man agiere auf Zuruf der Regierung. Zuletzt hatte sich der Redakteursrat kritisch zu dem Vorhaben geäußert.
Keine Ausschreibung notwendig
Dass die Lotterie abgeblasen wird, weil eine solche EU-weit ausgeschrieben werden muss, stellt man in Abrede. Es bestünde auch die Möglichkeit, eine solche Lotterie mit der Bundesbeschaffungsagentur in Form eines Rahmenvertrags abzuwickeln. Im Dunstkreis des ORF ist zu erfahren, dass die vor wenigen Monaten stattgefundene Lotterie auch nicht vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk selbst abgewickelt, sondern von einem Subunternehmen durchgeführt wurde.
Deal mit der SPÖ
Dass die Meldungen über eine mögliche Absage ausgerechnet am Tag nach der letzten Abstimmung im Bundesrat durchsickern, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. Die Abhaltung der mit knapp einer Milliarde Euro budgetierten Lotterie war eine der Grundbedingungen der SPÖ für eine Zustimmung im National- wie auch im Bundesrat. Wie schwer sich die SPÖ mit der Impfpflicht tut, zeigen die diversen Abweichler bei den beiden Abstimmungen.
Dass der ORF mit der Abhaltung der Lotterie beauftragt werde, sei eine Idee der SPÖ gewesen, heißt es in Regierungskreisen. In der Vereinbarung sei nur davon die Rede, dass die Regierung "ersucht" werde, auf den ORF zuzugehen. Bundeskanzler Karl Nehammer hatte in den letzten Wochen immer wieder betont, dass die Lotterie keine Exklusivveranstaltung des ORF sein werde, sondern auch andere Medienhäuser eingebunden werden.
Derzeit arbeitet man im Kanzleramt an mehreren Optionen. In jedem Fall werde es parallel zur Einführung der Impfpflicht umfangreiche Impfanreize geben. Als öffentlich-rechtlicher Rundfunk sei der ORF in jedem Fall verpflichtet, so wie in den letzten Monaten auch entsprechende Kampagnen, seien es Lotterien oder andere Modelle, zu propagieren.
SPÖ fordert Lösung
SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried verlangte am Freitag eine "sofortige Klarstellung" von der Regierung, wie es um das Projekt steht. Falls Türkis-Grün an der Umsetzung scheitern sollte, müsse eine Alternative her. Die Regierung habe aber diese Impflotterie mit ORF-Beteiligung vorgezogen, an der sie jetzt zu scheitern drohe, so Leichtfried.
Die SPÖ verlange seit Monaten positive Anreize für eine höhere Durchimpfung und habe zunächst eine Impfprämie für alle Immunisierten vorgeschlagen, sagte der rote Klubchef. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner schlug auf dem Kurznachrichtendienst Twitter vor, von der Impf-Lotterie zur Impf-Prämie zu wechseln.
FPÖ und Neos kritisieren
Die SPÖ hätte wissen müssen, "dass sich die ÖVP an keine Abmachungen hält", hat FPÖ-Bundesrat Christoph Steiner kein Mitleid mit den sozialdemokratischen Abgeordneten. FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz forderte die Regierung auf, die Idee zu verwerfen: "Das ist keine seriöse Politik mehr und schädigt zudem die Steuerzahler. Die Regierung soll die Impflotterie am besten gleich gemeinsam mit der Impfpflicht in den Geschichtsbüchern gescheiterter politischer Schnapsideen begraben", so Schnedlitz.
"Dass hier schon wieder in Husch-Pfusch-Manier etwas angekündigt wurde, ohne sich genau zu überlegen, wer die Impflotterie umsetzen soll, und ohne mit den Beteiligten zu sprechen", sei keine Überraschung, sagte Neos-Generalsekretär Douglas Hoyos in einer Aussendung. Die kleinste Oppositionspartei stand dem Vorhaben von Anfang an kritisch gegenüber: "Dass man Menschen dafür belohnt, sich an ein Gesetz zu halten, ist schon an sich skurril. Noch dazu geht es um zu viel Geld. Eine Milliarde Euro würde in anderen Bereichen schmerzlich fehlen", so Hoyos.
500 Euro für jeden zehnten Stich
Geplant war, dass jeder zehnte Geimpfte eine Chance habe, Gutscheine im Wert von 500 Euro zu gewinnen, die bei österreichischen Betrieben einzulösen sind, etwa im Handel, der Gastronomie, in Hotels, Kultur- und Sporteinrichtungen. Als Kosten wurden bis zu eine Milliarde Euro avisiert.
Zusätzlich wurden kommunale Impfanreize angekündigt. 75 millionen Euro werden für Impfkampagnen in den Gemeinden zur Verfügung stehen. Eine kommunale Impfprämie soll ausgeschüttet werden, sobald ein gewisser Prozentsatz der impfbaren Bevölkerung einer Gemeinde geimpft sind. Das Geld kann dann in Kindergärten, Spielplätze und andere kommunale Aufgaben investiert werden.
Diese Vorhaben werden unabhängig von der Impflotterie weiter verfolgt, versichert die Bundesregierung.