Die Impfpflicht hat am Donnerstag die letzte parlamentarische Hürde genommen. Mit den Stimmen von ÖVP, Grünen, Neos und großen Teilen der SPÖ hat der Bundesrat der entsprechenden Vorlage des Nationalrats seinen Segen gegeben. Damit fehlen nur noch Unterschrift des Bundespräsidenten und Kundmachung, bis die Corona-Impfung in Österreich ab 18 Jahren verpflichtend ist. NGOs äußerten unterdessen Befürchtungen hinsichtlich der Rechtssicherheit.
Aus der Präsidentschaftskanzlei hieß es am Donnerstag zur APA, Bundespräsident Alexander Van der Bellen werde das Gesetz sorgfältig auf das verfassungsmäßige Zustandekommen prüfen. Wann die Unterzeichnung (samt Gegenzeichnung durch den Kanzler) und die anschließende Kundmachung dann abgeschlossen sind, steht noch nicht fest. Allgemein wird erwartet, dass das Gesetz in den nächsten Tagen in Kraft treten kann.
Nach dem Bundesratsbeschluss ist auch noch eine Verordnung des Gesundheitsministers notwendig, in der die Details zum Vollzug geregelt werden – etwa hinsichtlich der zugelassenen Impfstoffe oder der Ausnahmen von der Impfpflicht. Diese wird zeitnah nach dem Beschluss in der Länderkammer erwartet, aber nicht mehr am Donnerstag.
Das Gesetz
Rote Abweichler
Die SPÖ hat – wie schon im Nationalrat – im Bundesrat am Donnerstag nicht zur Gänze zugestimmt. War es dort nur Sozialsprecher Josef Muchitsch, haben in der Länderkammer der Salzburger Landesvorsitzende David Egger und der einflussreiche steirische Gewerkschafter Horst Schachner gegen die Impfpflicht gestimmt.
Die Gründe für das Abweichen
Die Impfpflicht soll für alle Personen mit Wohnsitz in Österreich ab 18 Jahren gelten. Ausnahmen sind für Schwangere und jene vorgesehen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, sowie für Genesene (180 Tage lang). Der Strafrahmen geht im einfachen Verfahren bis zu 600 Euro, im ordentlichen Verfahren bis 3600 Euro, es wird jedoch erst ab Mitte März kontrolliert.
Drohung vor Abstimmung
Die Mitglieder des Bundesrats erhielten im Vorfeld der Abstimmung zahlreiche Drohbriefe, die Mandatarinnen und Mandatare mussten von der Polizei geschützt werden. Ingo Appé (SPÖ) zitierte in seiner Rede aus Mails, die er und andere Mitglieder des Bundesrats erhalten haben. Eine Stimme für die Impfpflicht sei demnach ein "Verbrechen", von "Genozid" durch die Impfung und "Endkampf" gegen die "Neofaschisten" in der Regierung wird geschrieben. "Dieses Blut klebt an euren Händen. Sie werden sich verantworten müssen", schrieb eine Person an Appé. Der Mob werde nicht auf der Straße bleiben, "er kommt zu euch ins Büro, er kommt zu euch nach Hause", wurde den Mandataren gedroht.
"Diese Mails sind sehr wohl ausschlaggebend für mein Stimmverhalten", sagte das SPÖ-Bundesratsmitglied. "Aber in einer Demokratie haben diese Drohungen keinen Platz. Und wenn wir hier aufgrund dieser Drohungen unser Stimmverhalten ändern, gerade dann befinden wir uns in einer Diktatur und fernab des Parlamentarismus." Auch der steirische ÖVP-Mandatar Karlheinz Kornhäusl betonte: "Wenn Abgeordnete dieses Hauses Morddrohungen bekommen, wenn meine beiden Töchter Angst haben, weil ihr Papa nach Wien fährt und Drohanrufe im Vorfeld bekommt, dann werden hier Grenzen überschritten."
Alle im Hohen Haus würden gegen Gewalt einstehen, doch es dürfe "keine Täter-Opfer-Umkehr" gegen "besorgte Bürger" stattfinden, sagte FPÖ-Mandatar Josef Ofner. Mit den Drohungen hätte immerhin die Regierung begonnen. Etwa als Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) sagte, FPÖ-Chef Herbert Kickl habe "Blut an den Händen", oder als der damalige Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) sagte, Weihnachten werde für Ungeimpfte "ungemütlich", so Ofner.
Bedenken wegen "großer Rechtsunsicherheit"
Soziale Träger wie Caritas, Diakonie oder Rotes Kreuz haben am Donnerstag im Vorfeld des Bundesratsbeschlusses Bedenken hinsichtlich des Gesetzes geäußert. Das Impfpflichtgesetz bringe für den Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich in ganz Österreich "große Rechtsunsicherheit" mit sich, erklärte der vor Kurzem gegründete Interessensverband der Arbeitgeberverbände der Freien Wohlfahrt (IAFW). Denn die Regelungen einer allgemeinen Impfpflicht und einer 3G-Regel am Arbeitsplatz würden einander widersprechen und Konfliktpotenzial bergen, "das jahrelange Rechtsstreitigkeiten zur Folge haben könnte".
IAFW-Vorsitzender Alex Bodmann verwies auf einen im November vorgelegten Entwurf, der die Corona-Schutzimpfung noch als Beschäftigungsvoraussetzung für alle Mitarbeiter im Gesundheits- und Pflegebereich vorgesehen hatte. Mit dem nun beschlossenen Gesetz lasse die Regierung diese Klarheit jedoch vermissen. Das Ergebnis werde ein österreichweiter "Fleckerlteppich gepaart mit hoher Rechtsunsicherheit" sein. Denn einzelne Träger und neun Bundesländer werden die Frage, ob und welche arbeitsrechtlichen und welche haftungsrechtlichen Konsequenzen sie aus dem Gesetz ableiten, unterschiedlich beantworten. "Das könnte dazu führen, dass etwa in manchen Krankenhäusern eine 2G-Pflicht für das Personal eingeführt werden könnte und in anderen nicht", so der IAFW.
Seitens der Bundesregierung erwartet der Verband, dass festgelegt wird, "ob und welche Konsequenzen eine allgemeine Impfpflicht für verschiedene Arbeitsbereiche und Berufsgruppen haben soll". Tut sie das nicht, müsse sie mögliche haftungsrechtliche Folgen explizit regeln oder die Träger von diesen entlasten, so die Forderung.
Verordnungs-Entwurf: Vorerst drei Stiche nötig
In der Verordnung des Gesundheitsministers, die am Donnerstag noch nicht vorlag, sollen einige Punkte geklärt werden. Laut einem Bericht der Tageszeitung "Kurier" wird in einem Verordnungs-Entwurf festgehalten, dass die Impfpflicht grundsätzlich dann als erfüllt gilt, wenn man drei Impfungen absolviert hat. Auch Personen, die nach der Genesung zweimal geimpft wurden, gelten demnach als immunisiert. Nach der (erstmaligen) Genesung muss die Impfung laut diesen Plänen nach 180 Tagen erfolgen, 190 Tage nach der Impfung ist dann eine weitere Auffrischung fällig.
Laut "Kurier" gilt die Impfpflicht aber für all jene nicht als erfüllt, die zweimal geimpft sind und erst danach eine Durchbruchsinfektion überstanden haben. Ob dies tatsächlich in der finalen Verordnung so bleibt, war am Donnerstagabend noch unklar.
Konkret geregelt wird laut dem Bericht auch das zeitliche Intervall zwischen den Impfungen: Wer gar nicht geimpft war, muss sich eine Erstimpfung unterziehen - danach muss innerhalb von 65 Tagen eine Zweitimpfung erfolgen und innerhalb von 190 Tagen nach der vorangegangenen Impfung ein Drittstich.
Nehammer bewirbt Teuerungsausgleich
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat im Bundesrat den geplanten Energiekosten- und Teuerungsausgleich verteidigt. Das Paket im Ausmaß von 1,7 Mrd. Euro sei in "tatsächlich schwierigen Zeiten" gut und richtig investiertes Geld. Plenarreif gemacht wird das Paket am Nachmittag im Sozialausschuss des Nationalrats.
Durch den Energiekostenausgleich sollen die Haushalte um insgesamt 600 Mio. Euro entlastet werden. Der bereits beschlossene Teuerungsausgleich für besonders bedürftige Haushalte soll auf 300 Euro verdoppelt werden, was noch einmal 100 Mio. Euro ausmacht.
Zusammen mit der bereits fixen Aussetzung der Ökostrompauschale und des Ökostromförderbeitrags für heuer – von im Schnitt rund 100 Euro pro Haushalt –, was nochmals etwa 900 Mio. Euro Entlastung entspricht, will die Bundesregierung für ein Entlastungsvolumen von rund 1,7 Mrd. Euro sorgen.
"Sehr ungute Gemengelage"
Nehammer sprach in seiner Wortmeldung von einer dramatischen Erhöhung des Gaspreises vor dem Hintergrund des Russland-Ukraine-Konflikts. Offensichtlich gebe es eine sehr gut akkordierte Strategie zwischen der Russischen Föderation und Gazprom. Der Kanzler ortete hier eine "sehr ungute Gemengelage", denn es gebe auch andere Teuerungsbestandteile.
Auch insgesamt sei die Situation angespannt, sagte er in Hinblick auf die Corona-Pandemie. Doch es gebe auch positive Perspektiven. So befinde sich der Beschäftigtenstand bereits wieder auf Vorkrisenniveau, meinte der Bundeskanzler.
Freistellung für Schwangere wird verlängert
Im Nationalrat wurde derweil auf den Weg gebracht, dass die Regelung zur coronabedingten Freistellung von Schwangeren bis 30. Juni verlängert wird. Demnach können Frauen ab der 14. Schwangerschaftswoche freigestellt werden, wenn sie Arbeiten mit Körperkontakt leisten.
Der Sozialausschuss hat die entsprechende Änderung im Mutterschutzgesetz am Donnerstag mit den Stimmen von ÖVP, Grünen, SPÖ und FPÖ auf den Weg gebracht. Die ursprüngliche Regelung wäre mit 31. März ausgelaufen.