Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist ein "hinterfotziger" Pfau oder ein "süßes" Eichhörnchen, die SPÖ "Mutter oder Großmutter" der österreichischen Parteienfamilie und die FPÖ ein "billiges Auto". Seit Mittwoch sind einige der Studien, die Sabine Beinschab für das Finanzministerium durchgeführt hat, online abrufbar. Abseits der Tiervergleiche zeigt sich vor allem in der "Studie Wirtschafts- und Budgetpolitik inklusive Erweiterungen" deutlich, dass die Volkspartei mit Geld des Ministeriums auf den kommenden Wahlkampf vorbereitet wurde.
So fragte Beinschabs "research affairs" für das Finanzministerium konkrete politische Inhalte ab. Wie bewerten die Befragten die Aussage "Mittlerweile ist Leistung in Österreich etwas, was man bekommt, und nicht mehr, was man erbringt"? Welcher Partei oder welchem Politiker ordnen sie "Wir haben ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem" zu? Und wie glaubwürdig ist "Wenn wir in Teilen Europas die Diskussion über ein Paradies auf Pump erleben, so ist es umso wichtiger, Kurs zu halten"?
ÖVP soll "Themenführerschaft einnehmen"
Die Erkenntnisse wurden im Kapitel "Zusammenfassung der Ergebnisse: Steuerbetrugsbekämpfung" zu konkreten Schlüssen für die Volkspartei. Das Thema Steuerbetrug werde "aktuell laut Meinung der Befragten von keiner Partei, keinem Politiker klar besetzt". Folglich sollte man, empfiehlt Beinschab an das Finanzministerium, "Themenführerschaft einnehmen, indem erklärt wird, dass die ÖVP traditionell für dieses Thema steht → Glaubwürdigkeit stärken". Auch sollte auf die "Erfolge von Finanzminister Hans Jörg Schelling" verwiesen werden und eine "Abgrenzung der Position der Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei im Vergleich zu den anderen Parteien bei diesem Thema" geschaffen werden.
In einer quantitativen Umfrage erfragte Beinschab auch die Wahrnehmung der Leistungen des Ministers: "Finanzminister Hans Jörg Schelling will alle Ausgaben des Ressorts durchforsten und analysieren. Dabei sollen bis 2021 5 % Ersparungen (3,6 Mrd.) erzielt werden. Ein Drittel davon will der Finanzminister in zusätzliche Zukunftsinvestitionen wie Bildung, Forschung und Innovation investieren. Was halten Sie davon?" Die Studie kostete 156.000 Euro.
Warum das Finanzministerium für die ÖVP Wahlkampfthemen abgefragt hat, kann man im Ministerium heute nicht mehr beantworten. Die Frage ist Gegenstand von Ermittlungen: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) verdächtigt ein Netzwerk rund um Ex-Kanzler Sebastian Kurz der Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit.
Kurz will mit den Studien - insbesondere jene mit Tier- und Auto-Vergleichen - nichts zu tun haben. Er habe diese weder beauftragen lassen noch davon Kenntnis gehabt und wisse auch nicht, welchen Mehrwert er davon gehabt hätte, mit Eichhörnchen, Delfinen oder einem hinterhältigen Pfau verglichen zu werden.
ÖVP soll Kosten rückerstatten
Selbst innerhalb der Volkspartei gibt es dafür keine Erklärung. "Ich tue mir auch persönlich sehr schwer, das nachzuvollziehen", sagt der türkise U-Ausschuss-Fraktionsführer Andreas Hanger in der ZiB 2. Regressforderungen – also die Rückzahlung der Studienkosten – seien naheliegend. "Volle Aufklärung, volle Transparenz, Akten auf den Tisch und die entsprechenden Konsequenzen ziehen", fordert der ÖVP-Mandatar von seiner eigenen Partei.
Auch die Opposition fordert neben Aufklärung die sofortige Rückzahlung der Studienkosten durch die Volkspartei. "Wenn ÖVP-Obmann Nehammer nur einen Funken Anstand hat, entschuldigt er sich für die Exzesse seiner Partei und zahlt noch heute die 156.000 Euro für die Skandal-'Studie' auf Heller und Pfennig zurück", fordert SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch am Donnerstag in einer Aussendung. Auch Neos-Geschäftsführer Douglas Hoyos meint, die ÖVP solle "den Anstand haben, das Geld sofort zurückzuzahlen. Das Finanzministerium gehört nicht ihr, das Geld des Finanzministeriums gehört nicht ihr."
Andere Studien der Meinungsforscherin sind weniger politisch aufgeladen, lieferten aber überraschende Ergebnisse. Etwa eine Studie aus dem Jahr 2018 zum Thema "User Experience der BMF-Website": 80 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher über 16 waren demnach 2018 bereits auf der Website des Finanzministeriums – und ebenfalls 80 Prozent verfügten über einen FinanzOnline-Zugang. Ein bemerkenswerter Zufall, wie ZiB-2-Anchor Armin Wolf auf Twitter hervorhob. Kosten der Studie? 50.400 Euro.
Steuerreform und New Deal: Wie "glaubwürdig" ist Sebastian Kurz?
Das Finanzministerium hat offenbar aber nicht nur Sabine Beinschab für politische Beobachtung bezahlt. In einer Studie des Meinungsforschungsinstituts GfK Austria zum Thema "Steuerreform und New Deal", ließ das Ministerium im Juni 2016 etwa abfragen, wie bekannt diverse Politiker der damaligen rot-schwarzen Koalition waren.
Zu einigen Regierungsmitgliedern wollte das Finanzministerium noch mehr wissen. Etwa wie "durchsetzungsfähig", "kompetent", "glaubwürdig" oder "sympathisch" Kern, Schelling, Doskozil, Mitterlehner oder Kurz wahrgenommen wurden. Dabei handelt es sich offensichtlich um Informationen, die für das Ministerium regelmäßig wichtig sind, da eine Präsentation der Studie mehrmalige Messungen im Jahr 2015 darstellt.
2019 wurden von "Media Affairs" regelmäßige "Medienmarktanalysen" für das Finanzministerium durchgeführt. Hier wurde im Detail die Medienpräsenz der Finanzminister Hartwig Löger und Eduard Müller sowie des blauen Finanzstaatssekretärs Hubert Fuchs abgefragt, inklusive Fragen wie "Wer kritisiert Löger"? Für die Beobachtung anderer Ministerien ließ das Finanzressort in diesem Fall kein Geld springen.
Eine "Social-Media-Studie" aus dem Jahr 2016 beschäftigte sich intensiv mit den Profilen von Politikern auf den sozialen Netzwerken – vor allem mit jenen von Kern, Strache und Kurz. Einer der beiden Autoren ist Josef Mantl, seit 2020 Landtagsabgeordneter der Wiener ÖVP. 2015 war er für die ÖVP auf Bezirksebene tätig.
Zwei Beinschab-Studien verschollen
Das Finanzministerium hat nicht alle Studien veröffentlicht. Die Interne Revision des Ressorts hat insgesamt 28 Studien, die von der Kommunikationsabteilung des Ministeriums in Auftrag gegeben wurden, überprüft, davon 13 von Beinschab. Insgesamt kosteten die Studien mehr als 1,2 Millionen Euro.
In keinem einzigen Fall gab es eine Ausschreibung, in 26 Fällen fehlten die Studienergebnisse im Akt und in zwei Fällen waren die Studien auch auf Nachfrage nicht mehr aufzufinden. Dabei handelt es sich um zwei von Beinschab abgerechnete Studien zu den Themen "Nulldefizit" und "Steuerentlastung".
Max Miller