Der Untersuchungsausschuss zu Korruptionsvorwürfen gegen die ÖVP beschließt am Mittwochabend seine ersten Zeugenladungen - mit durchaus großen Namen, vom Bundeskanzler Karl Nehammer abwärts.
Nehammer soll am ersten Befragungstag am 2. März nicht nur als Kanzler kommen: Als ÖVP-Chef ist er für die Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen seine Partei für die Opposition eine Schlüsselfigur. Und als früherer Innenminister passt er perfekt in das erste Themengebiet des Ausschusses: Den Einfluss der Volkspartei im Justiz-, Finanz- und Innenministerium. In U-Ausschuss-Fachsprech: "Beeinflussung von Ermittlungen und Aufklärungsarbeit".
Der Grund für die frühe Ladung der anderen beiden Zeugen am ersten Ladungstag ist aber eher ihre seltene Verfügbarkeit. So soll der steirische Investor Sigfried Wolf etwa erklären, weshalb er einen Steuernachlass erhielt. Dabei könnte auch der frühere Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, behilflich sein. Wolf war schon beim "Ibiza"-U-Ausschuss geschäftlich verhindert, Schmid gar nicht erreichbar. Auch Investor und ÖVP-Spender Alexander Schütz soll früh geladen werden, um sicherzustellen, dass ihm keine Geschäftsreise dazwischenkommt.
Geladen, um zu berichten
Nicht alle Geladenen stehen der ÖVP nahe. Der frühere Nationalratsabgeordnete und nunmehrige Herausgeber des Onlinemediums "ZackZack", Peter Pilz, soll dem Ausschuss Einblick in die Recherchen seines Mediums geben. Im ORF-Report empfahl er Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) bereits, den Vorsitz im Untersuchungsausschuss zurückzulegen.
Immerhin habe er, Pilz, 4000 Seiten voller Chats vom Handy Michael Kloibmüllers, des langjährigen Kabinettschefs im Innenministerium. Auch Sobotka käme darin vor, ihr Inhalt biete gute Rücktrittsgründe für den Nationalratspräsidenten, so Pilz. Am Obersten Gerichtshof (OGH) hatten Nachrichten auf dem Gerät bereits Konsequenzen: Die bisherige OGH-Vizepräsidentin Eva Marekverlor ihre Leitungs- und Verwaltungsaufgaben, bleibt aber Richterin.
Bisher besteht Sobotka darauf, den Ausschuss zu leiten - obwohl es offensichtliche Interessenkonflikte des Ex-ÖVP-Innenministers etwa bei der Suche nach ÖVP-Netzwerken im Innenministerium gibt. In den Ministerien dürfte es hingegen ein Umdenken gegeben haben: statt nur zu liefern, was auch ganz sicher geliefert werden muss und sich auf einen Konflikt mit dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) einzulassen, wird der U-Ausschuss diesmal nahezu in Akten ertränkt. Für die Opposition allgemein ein gutes Zeichen - würde nicht nahezu jede Information aktuell in Papierform geliefert werden. So ist eine Sichtung deutlich schwieriger.
Reihenfolge der Befragten kann sich ändern, Personen eher nicht
Der "Untersuchungsausschuss betreffend Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder" ist der 25. Untersuchungsausschuss der Zweiten Republik. Zum fünften Mal seit der großen Reform vor sieben Jahren hat eine parlamentarische Minderheit den Ausschuss ins Leben gerufen. Beantragt haben ihn SPÖ, FPÖ und NEOS. Grüne und ÖVP mussten allerdings noch ihr geschäftsordnungsmäßiges Okay geben.
Die Ladungsliste könnte sich heute Abend noch leicht verändern, die Personen dürften aber fix sein. Immerhin will die ÖVP vorerst nur einen Zeugen befragen und Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) steht ohnehin bereits auf der Liste der Oppositionsparteien. Bei der zeitliche Reihung wird auch auf die Verfügbarkeit der Befragten Rücksicht genommen. Wer etwa geplante Dienstreisen oder Urlaube hat, wird nicht genau dann geladen werden, wenn er nicht kann.
Sollten sich die Parteien heute dennoch nicht auf eine abschließende Liste einigen können, gibt es einen Schlichtungsmechanismus: An zwei Ausschusstagen darf die Opposition dann "ihre" Zeugen befragen, an einem die Regierung, beziehungsweise die ÖVP. Das Aufklärungsinteresse der Grünen scheint sich eher mit dem von SPÖ, FPÖ und Neos zu decken als mit jenem des zu untersuchenden türkisen Koalitionspartners.
Minderheitenausschuss ohne "Abdrehen"
Bei einem "Minderheitsausschuss" ist ein "Abdrehen" durch die Mehrheit nicht möglich. Bisher wurden der Hypo-, der zweite Eurofighter-, der BVT- und der Ibiza-U-Ausschuss von einer parlamentarischen Minderheit eingesetzt. Läuft der Ausschuss aber aus, können sich Zeugen mitunter "drücken": eine Beugestrafe für ein Fernbleiben vom parlamentarischen Untersuchungsgremium gibt es nur, wenn der Ausschuss auch noch tagt.
In der vergangenen Legislaturperiode tagten mit dem BVT- und dem dritten Eurofighter-U-Ausschuss zwei Untersuchungsausschüsse zeitgleich. Damit gab es bisher 24 U-Ausschüsse. Zwei davon (jener zur UNO-City 1971 sowie jener zu den Flugzeugankäufen der Bundesheeres 1971) konnten wegen der vorzeitigen Auflösung des Nationalrats ihre Arbeit nicht beenden und wurden in der darauffolgenden Gesetzgebungsperiode unter einer anderen Regierung neuerlich eingesetzt.
Max Miller