Die Pandemie verläuft in Österreich in absehbaren Bahnen: Ganz wie es das Prognosekonsortium des Bundes vorhergesagt hat, verzeichnet die Republik dieser Tage die höchsten Infektionszahlen seit Beginn der Coronakrise.
Gleichzeitig sind die Belastungszahlen in den Spitälern niedrig – auch wenn die Omikron-Variante vor allem für Ungeimpfte ein Risiko darstellt, landen weniger Patienten als bisher im Krankenhaus, noch weniger auf den Intensivstationen. Eine Überlastung des Gesundheitssystems scheint derzeit trotz der enormen Infektionszahlen nicht anzustehen.
Die Wirtschaft fordert jetzt, zumindest die schärfsten Anti-Covid-Maßnahmen zurückzunehmen: Den „Lockdown für Ungeimpfte“ zum Beispiel, der nicht 2G-Geprüfte aus Lokalen und Geschäften aussperrt und diesen umfangreiche Kontrollpflichten auferlegt, oder die für viele Wirte ruinöse Sperrstunde um 22 Uhr.
Am Freitag ist Lostag für einen Teil der Regeln – dann müsste das Parlament sein Okay für die Verlängerung des Ungeimpften-Lockdowns geben. Expertinnen und Experten warnen: Es sei noch zu früh, abzusehen, ob die enormen Infektionszahlen sich mit ein, zwei Wochen Verspätung nicht doch noch in den Spitälern niederschlagen. Außerdem könnten auch „milde Verläufe“ Langzeitschäden nach sich ziehen.
Doch was soll der Staat in dieser Lage tun? Sinnvoll wäre es, die Maßnahmen dazu in drei Kategorien nach Aufwand und Wirkung zu differenzieren.
Die erste Gruppe, relativ günstige und erwiesen wirksame Mittel – etwa die Maskenpflicht oder den Abstand – sollte Österreich unbedingt beibehalten. Das kostet nicht viel und bedeutet auch nur einen minimalen Aufwand für den Einzelnen, bremst die Verbreitung des Virus aber trotzdem signifikant.
In die zweite Kategorie – hoher Aufwand, aber kaum nachweisbare Schutzwirkung – fällt der „Lockdown für Ungeimpfte“. Seinen Zweck, möglichst viele Menschen zur Impfung zu bewegen, indem man ihnen den Zutritt zu Waren und Dienstleistungen kappt, hat die Regierung mit der Impfpflicht praktisch obsolet gemacht. Eine darüber hinausgehende Auswirkung auf die Ausbreitung des Virus sehen Experten nicht. Damit fehlt diesem Eingriff die Grundlage – der Lockdown mitsamt der 2G-Kontrollen im Handel sollte schnellstens entsorgt werden.
Am schwierigsten ist der Umgang mit der dritten Kategorie: hoher Aufwand, aber auch hohe Schutzwirkung. Dass die zum Superspreading prädestinierten Diskotheken weiter zu bleiben müssen, ist wirtschaftlich und gesellschaftlich eine Zumutung, aber wohl noch einige Wochen lang – bis die Welle bricht – alternativlos.
Immerhin ist mit Omikron ein einigermaßen glimpfliches Ende der Pandemie in Sicht, sofern nicht, und das ist ein großes wenn, eine neue Variante einen Strich durch die Rechnung macht. Aber auch auf den letzten Metern muss der Staat penibel begründen, was er warum untersagt.
Georg Renner