Die Impfpflicht wird erst ab dem 18. Lebensjahr gelten - für alle, die ihren Wohnsitz in Österreich haben. Ausgenommen sind Schwangere, Personen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können oder bei denen keine Immunantwort auf die Impfung besteht und Menschen, die in den letzten 180 Tagen genesen sind.
Kommentar
Insgesamt wird die Impfpflicht so für 7,4 Millionene Menschen in Österreich gelten. Das sind 83 Prozent der Bevölkerung. Die Impfpflicht erfüllt, wer über einen gültigen Impfstatus verfügt - also wenn der grüne Pass gilt. Bei den Erwachsenen sind das in Österreich über 80 Prozent.
Die Impfpflicht kommt in drei Phasen: Eine straflose Eingangsphase ab Anfang Februar. Ab Mitte März soll die Pflicht zum Stich als Kontrolldelikt durchgesetzt werden, dabei drohen für Ungeimpfte Strafen bis zu 3.600 Euro. Sollten dann immer noch nicht genug Menschen gegen das Virus geimpft sein, kann es auch zu Stichtagen kommen, an denen alle Ungeimpfte gleichzeitig gestraft werden.
Überblick
Jede Person darf maximal vier Mal im Kalenderjahr gestraft werden. Das Gesetz wurde möglichst flexibel gestaltet und kann per Verordnung angepasst und sogar außer Kraft gesetzt werden. Eine Kontrollkommission überwacht die Ausführung der Impfpflicht.
Drei Phasen
- Bis Mitte März gilt eine Eingangsphase, in der Menschen angehalten sind, sich impfen zu lassen.
- Ab 15. März wird die Impfpflicht zu einem Kontrolldelikt. Wer bei einer Kontrolle ab 16. März nicht geimpft ist, wird angezeigt. Der Strafrahmen reicht hier bis 600 Euro im verkürzten Verfahren und bis 3600 Euro im ordentlichen Verfahren. Gesundheitsminister Mückstein spricht von "flächendeckenden" Kontrollen, aber auch Überprüfungen etwa im Rahmen von Verkehrskontrollen. In dieser Phase soll auch an ein Erinnerungsschreiben an ungeimpfte Personen ausgeschickt werden.
Wer eine Impfstrafverfügung ausgestellt bekommt und sich binnen 2 Wochen impfen lässt, kann durch die nachgeholte Impfung straffrei gestellt werden. Das heißt: Wer ungeimpft ist und kontrolliert wird, kann durch eine Impfung der Geldstrafe entgehen. Wird nicht gezahlt oder Einspruch gegen die Strafverfügung eingebracht, kommt es zu einem ordentlichen Verfahren - hier steigt der Strafrahmen von 600 auf 3600 Euro.
Dabei darf aber niemand öfter als vier Mal pro Kalenderjahr gestraft werden. Sonst könnten Ungeimpfte theoretisch unendlich oft kontrolliert und gestraft werden, das soll verhindert werden, erklärt Edtstadler. Wer keinen Einspruch erhebt, muss folglich maximal 4 x 600 Euro, also 2400 Euro zahlen. Es gibt auch keine Ersatzfreiheitsstrafe - wer nicht zahlt, muss also nicht ins Gefängnis. Die Eingänge aus den Strafen sind zweckgewidmet und kommen dem jeweiligen Landesgesundheitsfonds zu.
- In der dritten Phase kann es auch zu automatisierten, flächendeckenden Strafen an einem bestimmten Stichtag für Ungeimpfte kommen. Wenn sich Ungeimpfte bis dahin nicht impfen lassen, wird automatisch gestraft. Die Regierung hofft aber, dass es soweit gar nicht kommen muss, weil sich schon davor genügend Menschen gegen das Virus impfen lassen.
Eine medizinische Befreiung von der Impfpflicht können nicht alle Ärztinnen und Ärzte ausstellen, sondern nur Amtsärztinnen
Epidemieärzte und behandelnde Ärztinnen in der behandelnden Spezialambulanz. Sie müssen einschätzen, ob eine Person nicht ohne Gefahr für Leben oder Gesundheit geimpft werden kann. Gründe für eine solche Freistellung werden noch per Verordnung des Gesundheitsministeriums festgelegt. Ärztinnen und Ärzten, die zu Unrecht Menschen von der Impfpflicht befreien, drohen bis zu 7200 Euro Strafe.
Impfung "bester Garant, in Freiheit zu leben"
Zum Start der Pressekonferenz betont Kanzler Nehammer einmal mehr, dass die Impfung wirkt: Er habe das in der letzten Woche während seiner symptomlosen Covid-Erkrankung am eigenen Leib gespürt und sich und seine Familie in Sicherheit gefühlt.
Er habe viel von sich gesprochen, weiß aber, dass es nicht allen so geht wie ihm, sagt Nehammer: "Ich weiß, dass es ganz viele Menschen in diesem Land gibt, die noch Angst haben vor dem Impfen." Die würden zuhören aber sagen: "Das, was der Nehammer da sagt, holt mich noch nicht ab in meiner Angst." Die Regierung und die Expertinnen und Experten der Corona-Krisenkommunikation würden diese Sorgen ernst nehmen. Der Kanzler empfiehlt, sich in diesem Fall zu informieren und vor allem mit dem eigenen Arzt oder der eigenen Ärztin zu sprechen.
"Es geht nicht um den Kampf Geimpfte gegen Ungeimpfte", sondern immer darum, auszudrücken, dass "die Impfung der beste Garant dafür ist, dass wir gemeinsam in Freiheit leben können", sagt Nehammer.
Er sieht sich aber verpflichtet, alles im Kampf gegen die Pandemie zu tun, sagt Nehammer. Daher wird die Impfpflicht Anfang Februar in Kraft treten, kündigt der Kanzler an. Man habe das Parlament breit eingebunden und darauf geachtet, dass die Verfassungsmäßigkeit jederzeit gewahrt ist.
Impfpflicht in anderen Ländern
"Impfung rettet Leben"
"Hinter der Impfpflicht steht ein Solidaritätsgedanke", sagt Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein, und: "Die Impfung rettet nachweislich Leben." Daher müsste man als Politik aber auch als ganze Gesellschaft alles daran setzen, dass sich so viele Menschen wie möglich impfen lassen. Die Impfpflicht solle debattiert werden, es sei aber wichtig, das gemeinsame Ziel einer Zukunft ohne Angst aus den Augen zu verlieren.
"Ja, die Impfpflicht kann verfassungskonform sein", sagt Verfassungsministerin Edtstadler. Der Eingriff in das Privat- und Familienleben sei zum Schutz der Bevölkerung und dem Aufrechthalten des Gesundheitssystems gerechtfertigt. "Die Impfung wirkt" - daher sei sie auch ein legitimes, "das effizienteste Mittel" im Kampf gegen die Pandemie. Sollte sich diese Einschätzung ändern, wäre es theoretisch möglich, Teile der Verordnung auch wieder aufzuheben.
Man könne nicht zahllos gestraft werden, betont Verfassungsministerin Edtstadler. Nach vier Strafen sei Schluss, automatisierte Strafen solle es maximal zweimal geben. Auch wird es keine Ersatzfreiheitsstrafe geben, betont die Verfassungsministerin.
SPÖ & Neos an Bord
"Keiner hat sich die Impfpflicht gewünscht, aber sie ist leider notwendig geworden, um die Durchimpfungsrate anzuheben", sagt SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner am Sonntag in einer Aussendung. "Es liegt nun ein praktikabler Entwurf vor, der vorbehaltlich der letzten Prüfung und in Kombination mit positiven Impfanreizen von der SPÖ unterstützt wird", sagt die Obfrau der größten Oppositionspartei. Der steirische SPÖ-Abgeordnete Jörg Leichtfried betont: "Es muss klar sein, dass die Impfpflicht keine Auswirkungen auf Arbeits- und Sozialrecht hat – am Arbeitsplatz muss weiter 3G gelten." Außerdem müsse die Ausstattung der Behörden zum Vollzug des Gesetzes sichergestellt sein. Und drittens brauche es zusätzlich positive Impfanreize.
NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sagte zum vorliegenden Entwurf, dieser habe sich auf den letzten Metern - nach intensiven Verhandlungen - "nicht zuletzt durch unsere Initiative" noch deutlich verbessert. Dazu zähle vor allem, dass die Impfpflicht erst ab 18 Jahren gilt. Wohl mit Blick auch auf parteiinterne Kritiker an dem Vorhaben betonte sie, dass es "unterschiedliche Wege und Positionen" gebe, wie die Impfquote erhöht werden könne. Dennoch sei eine Impfpflicht "meines Erachtens aber sehr wohl gerade aus der Freiheit heraus begründbar", sagte sie. Denn Lockdowns samt Ausgangsbeschränkungen für alle seien "massive Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte und dürfen nicht mehr vorkommen".
Weniger erfreut zeigt sich erwartungsgemäß FPÖ-Chef Herbert Kickl. "Das heute präsentierte Impfpflichtgesetz ist der vorläufige Tiefpunkt im aktuellen Regierungschaos und läutet auch die letzte Runde dieser schwarz-grünen Bundesregierung ein", ließ der frühere Innenminister per Aussendung wissen. Positiv sieht Kickl, dass die Impfpflicht nicht für Minderjährige gilt und Strafen reduziert zu sein scheinen.
Bis zu 2400 Euro im Jahr - außer, man zahlt nicht
Der Verwaltungs- und Verfassungsjurist Peter Bußjäger sieht gegenüber der Kleinen Zeitung in einer ersten Reaktion eine angemessene Strafhöhe: "Die Strafe soll abschreckend, aber verhältnismäßig sein, insgesamt sind 2400 Euro ja schon recht viel". Dass das für Wohlhabende kein großer Betrag ist, sei ein Problem, das sich durch das gesamte Verwaltungsstrafrecht ziehe. "Die Reichen haben es wieder einmal besser", fasst Bußjäger zusammen.
Nach genauerer Begutachtung des Gesetzesentwurfs relativiert der Jurist aber: Immerhin könne viermal jährlich gestraft werden. Und theoretisch sei es möglich, viermal Einspruch zu erheben. Die theoretische Höchststrafe steigt somit auf 4x3600 Euro - insgesamt also 14.400 Euro. In der Praxis werden die Beträge freilich geringer sein, sind sie doch Einkommensabhängig. Das Thema Verhältnismäßigkeit würde Bußjäger nun etwas differenzierter kommentieren. Dass das ganze Impfpflichtgesetz deshalb aufgehoben werden sollte, kann er sich nicht vorstellen. Womöglich könnten aber die Strafhöhen noch verändert werden.
Dass es keine Ersatzfreiheitsstrafe gibt, ist für Bußjäger "eher eine symbolische Geschichte". Schon jetzt würden die Bezirksverwaltungsbehörden nur sehr ungern Schuldner in den Verwaltungsarrest schicken. Stattdessen werde geschaut, ob nicht doch noch irgendwo verwertbares Vermögen auffindbar ist – etwa durch Lohnpfändung. Diese Möglichkeiten gibt es auch bei der Impfpflicht.
Intensive Verhandlungen im Endspurt
In den letzten Tagen wurde nicht nur innerhalb der Regierung und mit Juristen, sondern auch mit den Oppositionsparteien SPÖ und Neos verhandelt. Für einen Beschluss braucht es zwar nur eine einfache Mehrheit, die türkis-grüne Koalition will für die umstrittene Maßnahme aber eine möglichst breite Zustimmung im Parlament. Die Impf-kritische FPÖ ist hierfür kein Partner.
Beschlossen werden soll das Impfpflicht-Gesetz dann am Donnerstag kommender Woche im Nationalrat. Zuvor ist am Montag die Behandlung im Gesundheitsausschuss vorgesehen, dabei ist auch ein öffentliches Hearing mit Experten angesetzt. In Kraft treten soll das Gesetz am 4. Februar - einen Tag nach dem Beschluss im Bundesrat.
Kontrolliert werden soll im Rahmen sonstiger polizeilicher Tätigkeiten. "Wenn Sie joggen gehen, werden Sie wohl kaum von der Polizei kontrolliert werden", sagt Verfassungsministerin Edtstadler zur Frage, wann und wo man künftig den Grünen Pass mitführen muss. Natürlich ist aber theoretisch möglich, dass man auch als Jogger zufällig Teil einer polizeilichen Maßnahme (etwa einem Verkehrsunfall) wird und dann auch der Impfstatus überprüft wird. Fraglich ist, wie häufig Ungeimpfte aktuell überhaupt in die Nähe von Polizeikontrollen kommen - immerhin gilt nach wie vor der Lockdown für Ungeimpfte.
Max Miller