Omikron breitet sich rasant in Österreich aus. Neben neuen Höchstzahlen an Neuinfektionen mit allen bekannten Folgen von Spitalsauslastung über Long Covid bis zu einem massiven Anstieg an Todesfällen befürchten Expertinnen und Experten auch, dass in essenziellen Bereichen das Personal ausfallen könnte.
Sind etwa zu viele Ärztinnen oder Pfleger gleichzeitig krank oder in Quarantäne, könnten Krankenhäuser deutlich weniger Patientinnen und Patienten betreuen – die Gefahr von Triagen wäre deutlich höher. Aber auch abseits des Gesundheitsbereichs könnte es zu Engpässen kommen. Wien Energie hat daher seit letzter Woche bereits 50 Mitarbeiter in Isolation geschickt, um "unter jedem Umstand die Energieversorgung von Wien sicherstellen zu können".
Land soll nicht "stillstehen"
Das ist aber nicht überall möglich. Aus den Bundesländern und der Wirtschaft werden nun vor dem Bund-Länder-Gipfel am Donnerstag Rufe nach gelockerten Quarantäneregeln laut – weit über den essenziellen Bereich hinaus. Es drohe die Gefahr, dass das ganze Land stillsteht, wenn ein großer Teil der Bevölkerung gleichzeitig infiziert oder in Quarantäne ist.
Die Wirtschaftskammer und der ÖVP-Wirtschaftsbund drängen darauf, dass Geimpfte und Genesene auch bei Omikron wieder als K2 eingestuft werden sollen. Es gelte alles daran zu setzen, "dass das wirtschaftliche Leben weitgehend am Laufen gehalten wird und versorgungsrelevante Produktionen und Infrastruktur nicht gefährdet werden", hieß es seitens der WKÖ.
"Es kann nicht sein, dass die Wirtschaft aufgrund überbordender Quarantänemaßnahmen und daraus resultierenden Personalausfällen zum Stillstand kommt", sagte der Wirtschaftsbund-Generalsekretär und ÖVP-Nationalratsabgeordnete Kurt Egger in einer Aussendung am Dienstag.
Kommentar
Auch Ärztekammer für kürzere Quarantäne
Auch die Ärztekammer fordert dringend Anpassungen bei den Quarantäneregeln. "Wie bereits gefordert, müssen dreifach geimpfte Menschen als K2-Kontaktpersonen gelten. Zudem sollte eine verhängte Quarantäne bei Symptomlosigkeit nach fünf Tagen enden", fordern die neun Präsidenten unisono. Viele Daten, die bei der Omikron-Variante einen guten Impfschutz für dreifach Geimpfte sowie ein allgemein leicht geringeres Risiko eines schweren Verlaufes zeigen, würden diese Anpassungen vertretbar machen.
Darüber hinaus müssten aber auch die üblichen Basisregeln strikt eingehalten werden, betonen die Landesärztekammer-Präsidenten: "Abstand halten, Händehygiene und vor allem das Tragen von FFP2-Masken in Innenräumen sind bei der infektiöseren Omikron-Variante von höchster Wichtigkeit."
Lockerungen zum Schulstart?
Eine Lockerung der Quarantäneregeln vor dem Schulstart am kommenden Montag verlangte wiederum der Wiener Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS). Denn die momentan geltenden Regelungen für die Omikron-Variante seien insbesondere für Schulen "nicht praktikabel". Er sprach sich für eine Bevorzugung von geimpften und genesenen Kindern aus – und auch für eine Verkürzung.
Doch wie gut sind die Schulen für Omikron gerüstet? Dazu sagte Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) im Ö1-Morgenjournal: "Die Schulen werden am Montag aufsperren, egal, wie hoch die Zahlen dann sind." Zu verkürzten Quarantäneregeln an den Schulen, um großflächige Klassenschließungen zu verhindern, verwies Polaschek auf die Gesundheitsbehörden.
(Noch) keine Infizierten am Arbeitsplatz
Der Epidemiologe Gerald Gartlehner würde die Quarantäne bei K1-Kontaktpersonen, die sich derzeit nach fünf Tagen freitesten können, auf drei oder vier Tage reduzieren, sagte er gestern in der ZIB2. Bei Infizierten, die sich aktuell nach zehn Tagen freitesten können, "könnte man wahrscheinlich auf fünf Tage reduzieren", sofern sie asymptomatisch sind.
Zuletzt hatte Gartlehner am Wochenende auch dafür plädiert, zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur auch Infizierten mit milden Symptomen das Arbeiten zu gestatten – diese Maßnahme sieht er nun aber nur als Möglichkeit in der Zukunft: "Symptomlose, die positiv getestet sind, würde ich wahrscheinlich noch nicht arbeiten gehen lassen. Das wäre die nächste Stufe" – nämlich, wenn zu viele Personen in der kritischen Infrastruktur ausfallen würden, gab Gartlehner zu verstehen.
Länderchefs für kürzere Quarantäne
Im Vorfeld des Bund-Länder-Gipfels erklärte Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ), sofern eine Person voll immunisiert ist, wäre eine Verkürzung der Quarantäne "anzudenken", "wenn dies aufgrund der hohen Infektionszahlen als notwendig erscheint". Bezüglich des Schulbetriebs hieß es, der Präsenzunterricht sollte so lange wie möglich aufrechterhalten bleiben. Kaiser plädierte am Mittwoch aber dafür, Menschenleben zu schützen als wichtigstes Grundprinzip zu betrachten. Angesichts der Omikron-Welle gelte es nun, Krankenhäuser und kritische Infrastruktur vor einer Überlastung zu schützen. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) forderte bundeseinheitliche Regelungen und schnelle Maßnahmen gegen Omikron.
Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) wollte nicht bis Donnerstag warten und präsentierte schon heute, Mittwoch ein "Omikron-Maßnahmenpaket" für sein Bundesland. In der kritischen Infrastruktur werden im Burgenland nun tägliche Antigentests sowie zwei bis dreimal wöchentliche PCR-Tests verpflichtend. Um Gesundheitspersonal zu entlasten, werden Pflegeschüler im dritten Jahr für drei Monate in die Praxis geholt. Beim morgigen Bund-Länder-Gipfel werde es keine Lockdown-Diskussionen geben, ob es wegen Omikron aber zu einem Lockdown kommt, könne niemand vorhersehen, so Doskozil.
Auch Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) sprach sich für eine Anpassung der Omikron-Quarantäneregeln bei Geimpften und Kontaktpersonen aus. Darüber hinaus setze man alles daran, die Schulen wie geplant am 10. Jänner zu öffnen. Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) plädierte ebenfalls für eine bundesweit einheitliche Lösung und auch Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) erklärte, er wolle bei der Bund-Länder-Runde auf Verkürzungen beziehungsweise Erleichterungen bei der Quarantäne drängen.
Auch für Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) ist eine solche Verkürzung vorstellbar, sofern sie "medizinisch vertretbar" sei. Eine "klare Aussage der Expertinnen und Experten über die Entwicklungen" forderte der steirische Landeschef Hermann Schützenhöfer (ÖVP).
Max Miller