Berichtet wird von vehementen Interventionen von Wolf, Ex-Finanzministeriums-Generalsekretär Thomas Schmid und Mitarbeitern der Finanzverwaltung. Als 2016 die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) drohte, die Großbetriebsprüfung einzuschalten, habe Schmid an Wolf geschrieben: "Das ist irre!"
"Großbetriebsprüfung droht auch mit Korruptionsstaatsanwaltschaft. Kämpfen, aber dein Fall kam so verdammt spät zu uns. Melde mich am Montag nochmal. LG t", soll Schmid weiters mitgeteilt haben. Die – ohnehin schon verschobene – Schlussbesprechung der Großbetriebsprüfung mit allen Beteiligten sei übrigens so organisiert worden, dass ausgerechnet die zuständige Fachvorständin der Großbetriebsprüfung nicht dabei war – und zwar jene mit einer strengen Rechtsansicht.
Als Wolf ein neuer Steuerbescheid von der Finanz drohte, wandte sich dieser wieder an Schmid, der nun bereits Chef der Staatsholding ÖBAG war. Wolf habe sich "hintergangen" gefühlt und verlangt, Schmid solle das "gleich regeln, bevor die den Bescheid schicken". Draußen war der Bescheid jedoch schon – zugestellt werden konnte er Wolfs Steuerberater aber nicht gleich – der hatte nämlich seine Zustellungsvollmacht zurückgelegt.
Parallel dazu bat Wolf Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling, Kontakt mit dem amtierenden Minister Eduard Müller aufzunehmen. Schelling konnte aber nichts mehr tun: "Habe soeben mit Müller gesprochen. Der Bescheid war leider schon draußen. Er empfiehlt eine Berufung (...) Sorry Hans Jörg", zitiert der "Standard".
Fiedler: "Vorfälle, wie im Mittelalter"
Der ehemalige Rechnungshofpräsident Franz Fiedler spricht gegenüber Ö1 von einem "Sittenbild der übelsten Sorte" – unabhängig davon, ob ein strafrechtlich relevanter Vorwurf bewiesen werden kann. Gerade die Finanz würde teils i-Tüpfelchen reiten und einzelne Steuerzahler "karniefeln", während sie "auf der anderen Seite in großzügigster Weise Steuernachlässe gewährt. Aus Gründen, die oft nicht nachvollziehbar sind und die möglicherweise auch strafbar sind".
"Ich kämpfe auch für euch mit allen Mitteln", soll Wolf Schmid erinnert haben, nachdem der Investor eine Veranstaltung organisiert hatte, in der er finanzielle Unterstützung für Sebastian Kurz lukriiert haben soll. Dass Kontakte zunächst auf gesellschaftlicher Ebene geknüpft würden und dann in den öffentlich-rechtlichen Bereich hineinspielen würden, erinnert Fiedler an "das römische Reich der Endzeit" und an "Vorfälle, wie sie sich im Mittelalter ereignet haben mögen". Sie hätten aber "nichts mehr verloren in einer modernen Demokratie, in einem Rechtsstaat des 21. Jahrhunderts".
So könne etwa die Dienstaufsicht gar nicht funktionieren, wenn bis zum Finanzminister hinauf – offenbar erfolgreich – interveniert werde. Es brauche also keine neuen Kontrollinstanzen, die bestehenden müssten nur funktionieren, so Fiedler.
Kritik aus SPÖ
„Dass laut Chat-Nachrichten auch Ex-ÖVP-Kanzler Schüssel und Ex-ÖVP-Finanzminister Schelling in die höchst dubiosen Vorgänge rund um den Steuernachlass für ÖVP-Unterstützer Wolf involviert sind, legt nahe, dass es sich hier um ein ‚System ÖVP‘ handelt, das weit über Thomas Schmid hinausgeht“, sagte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch.
Er fordert Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer auf, "für volle Transparenz und Konsequenzen" zu sorgen. Die Vorgänge rund um den Steuernachlass für Wolf würden zeigen, "für wen die ÖVP Politik macht: für die Superreichen – und nicht für die hart arbeitenden Menschen und Familien in Österreich."
Verfahren Ende 2020 eingestellt
In der Finanz hätten die außergewöhnlichen Vorfälle im Juni 2019 Folgen gezeitigt: Das Finanzministerium zeigte selbige nach Rücksprache mit dem Steuersektionschef bei der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt an. Sie leitete Ermittlungen gegen die Finanzamtschefin und zwei ihrer Mitarbeiter wegen Verdachts auf Missbrauch der Amtsgewalt ein. Ende Oktober 2020 wurde das Verfahren eingestellt.
Das löste wiederum eine anonyme Anzeige bei der WKStA aus, berichtet der "Standard". Ein Hinweisgeber hatte vermutet, dass diese Einstellung einer Intervention aus dem Justizministerium zu verdanken sei – dieser Verdacht hat sich laut WKStA damals, vor den nun bekannt gewordenen Chats, nicht erhärtet.