Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) betont, dass es nur zu einer Impfpflicht kommen kann, wenn die Vakzine entsprechende Wirksamkeit besitzen. Nach gegenwärtigem Wissensstand sei das auch bei der Omikron-Variante der Fall. Greife die Impfung aber nicht, werde man das Vorhaben überdenken müssen, sagt Edtstadler im APA-Interview.
Dass es während der Pandemie zu Grundrechtseingriffen gekommen ist, hält die Verfassungsministerin für notwendig. Denn der Staat habe die verfassungsrechtliche Aufgabe, die Gesundheit der Menschen zu schützen. Einen maximalen Zeitraum für solche Einschnitte sieht sie nicht: "Solange wir sehen, dass das Gesundheitssystem tatsächlich gefährdet ist, wird es immer wieder notwendig sein, Maßnahmen zu setzen."
Impfpflicht als "geringerer Eingriff in die Grundrechte"
In diesem Kontext argumentiert Edtstadler auch die Impfpflicht, die ab Februar wirksam sein soll. Die Entscheidung dafür sei "schmerzhaft" gewesen, doch denke sie, dass diese dazu führen könne, dass man nicht mehr von Lockdown zu Lockdown gehen müsse. Hier sei die Impfpflicht der geringere Eingriff in die Grundrechte.
Rechtlich ist aus Sicht der Ministerin die Impfpflicht umsetzbar, solange das Ziel der Aufrechterhaltung der Gesundheitssysteme damit erreicht werden kann. Das Mittel dafür sei "nach derzeitigem wissenschaftlichen Stand" die Impfung, auch was Omikron betreffe, betont Edtstadler, jedoch nicht ohne anzumerken: "Selbstverständlich werden wir permanent und auch nach Inkrafttreten anschauen müssen, ist die Impfung wirksam und kann sie auch schützen."
Impfstoffe können angepasst werden
Sie wolle als Verfassungsministerin ein Gesetz, das auch der Verfassung entspricht: "Das ist nur der Fall, wenn die Impfung wirksam ist. Wenn sie nicht greifen sollte, muss man das natürlich überdenken." Allerdings verweist Edtstadler darauf, dass es ja auch die Möglichkeit einer Anpassung der Impfstoffe gebe.
Die Impfpflicht hat ja die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen befeuert. Edtstadler zeigt Verständnis für die Betroffenheit etwa von Gesundheitseinrichtungen, Medien oder Einzelpersonen, die neuerdings Bedrohungen ausgesetzt sind. Dennoch betont sie: "Ich mahne davor, allgemein zu sagen, man könnte die Demonstrationsfreiheit einschränken." Zudem gebe es auch die rechtliche Möglichkeit, Spontan-Demonstrationen abzuhalten: "In der Demokratie muss das möglich sein."
"Zulauf zu antisemitischen Verschwörungsmythen"
Bedenklich ist für Edtstadler, dass im Rahmen der Bewegung zunehmend auch extremistisches Gedankengut laut wird. Es gebe einen "enormen Zulauf zu antisemitischen Verschwörungsmythen". Offenbar sei es leichter, in Zeiten, in denen man auf digitale Inhalte mit ihren Echokammern zurückgeworfen werde, Menschen für eine "irre Ideologie" zu rekrutieren: "Hier sehen wir durch die Pandemie einen Boost."
Positiv ist für die Ministerin, die federführend für den Kampf gegen Antisemitismus zuständig ist, dass seitens Österreichs in diesem Bereich viel getan werde. Edtstadler verweist etwa auf die heuer beschlossene nationale Strategie mit 38 Einzel-Maßnahmen. Besonders hervorgehoben werden von ihr die eigens eingerichtete Stabsstelle, das österreichisch-jüdische Kulturgesetz und das "Flagging" bei Anzeigen. Dies meint, dass antisemitische und antizionistische Motive bei Straftaten auch vermerkt werden. Damit im Zusammenhang stehen könnte nach Meinung Edtstadlers, dass es auch einen Anstieg der Fälle gegeben hat. Dies zeige nicht automatisch, dass es mehr Vorfälle gebe, sondern auch, dass die Sensibilität gestiegen sei - dass es etwa kein Kavaliersdelikt sei, einen antisemitischen Witz zu machen.
Auf Nachfrage bestätigt die Ministerin, dass es auch in Österreichs Politik "leider" immer wieder Verschwörungstheorien und antisemitische Codes gebe. Dies sei "aufs Schärfste zu verurteilen." Auf frühere Aussagen des heutigen Innenministers Gerhard Karner (ÖVP) angesprochen, der von "Herren aus Amerika und Israel" schwadroniert hatte, meinte Edtstadler, dieser habe sich für seine Aussagen entschuldigt.