Die nächsten Tage werden entscheidend, könnte man angelehnt an den Stehsatz von Ex-Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sagen – und das gleich in zweierlei Hinsicht.
Erstens dahingehend, wie sich die Covid-Zahlen nach dem gestrigen Ende des allgemeinen Lockdowns entwickeln werden. 3471 nachgewiesene Neuinfektionen binnen 24 Stunden hat Österreich am Sonntag verzeichnet, die Sieben-Tage-Inzidenz ist auf 348 gesunken. Zu erwarten ist, dass der Lockdown zumindest noch einige Tage „nachhallt“, weil sich steigende Ansteckungen erst Tage später bemerkbar machen. Außerdem geschehen die Öffnungen stufenweise – und von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich.
Omikron-Variante wird dominant
Andererseits wird sich in den kommenden Tagen auch zeigen, wie sich die neue „Omikron“-Variante auf das Pandemiegeschehen auswirkt. Experten mahnen diesbezüglich zur Vorsicht: In der Corona-Kommission des Bundes werden die aktuellen Öffnungsschritte nicht ohne Sorge betrachtet. Einem internen Protokoll von Ende vergangener Woche zufolge sei eine baldige Verschlechterung der Lage zu erwarten. Die in den Prognosen abgebildete „Atempause“ werde wohl eine kurze sein, wird die Generaldirektorin für die Öffentliche Gesundheit, Katharina Reich, zitiert.
Auch Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften rechnet damit, dass durch die Virusvariante Omikron auch in Österreich "Ende Dezember, Anfang Jänner" eine massive Zunahme der Infektionszahlen zu erwarten sei. "Wir sehen es in England, in Dänemark, in Südafrika. Dort gibt es überall ähnliche Wachstumsraten." "Das Virus bleibt ein Spielverderber, man muss weiterhin präventiv vorgehen", so der Molekularbiologe im Ö1-Morgenjournal am Montag. Ansonsten werde man spätestens Ende Jänner bis Anfang Februar mit einer fünften Welle konfrontiert werden. Er fordert dazu auf, das System "krisenresistenter" zu machen und nicht mehr "auf den letzten Drücker" zu reagieren. Wichtig sei die Auffrischungsimpfung. "Wir sehen, dass die Auffrischungsimpfung hilft. Und auch die Hybrid-Immunität, also ein Mix aus Geimpft und Genesen, bietet immer noch einen 70-prozentigen Schutz. Es wäre also sehr wichtig, sich im Dezember auffrischen zu lassen." Bergthaler spricht sich aber auch dafür aus, 2G-Plus bundesweit auszurollen.
Weitere düstere Perspektiven gibt die Einschätzung eines Vertreters der Gesundheit Österreich in der Kommission. Erste Modelle zeigten, dass ab der zweiten Jänner-Hälfte mit ersten Auswirkungen bis hin zu deutlichen Beeinträchtigungen durch Omikron zu rechnen sei: „Es ist gemäß dieser Berechnungen möglich, dass zu diesem Zeitpunkt die Auslastung auf den Intensivstationen noch zu hoch ist, um eine neuerliche Infektionswelle bewältigen zu können.“ Dies sei ein ernst zu nehmendes Szenario.
"Nichts mehr ausschließen"
In Regierungskreisen machten am Wochenende angesichts der rasenden Ausbreitung der Variante in anderen Ländern bereits Sorgen vor einem neuerlich notwendigen Lockdown in einigen Wochen die Runde. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) wollte in Interviews jedenfalls „nichts mehr ausschließen“.
Ende vergangener Woche hatte eine Reihe von Experten unterschiedlichster Disziplinen unter dem Titel „Covid-19 Future Operations“ Vorschläge für einen mittel- und langfristigen Umgang mit der Pandemie vorgelegt.
Georg Renner