Die Experten der Corona-Kommission treten dafür ein, bei der in gut einer Woche geplanten Lockdown-Lockerung nur "behutsame" Öffnungsschritte zu setzen. Grund für den Zugang ist die "noch sehr angespannten Lage auf den Intensivstationen". Die medizinische Versorgung der österreichischen Bevölkerung sei in weiten Teilen des Landes akut bedroht. Nach der neuen Virus-Variante Omikron soll nun gezielter gesucht werden. Das Infektionsrisiko bleibt im ganzen Land "sehr hoch".
Daher wird die Corona-Ampel auch diese Woche durchgehend rot geschaltet. Doch zeigen sich die Auswirkungen des Lockdowns mittlerweile. Die sogenannte Risikozahl, die über die Farbgebung entscheidet, ist in allen neun Bundesländern gegenüber der Vorwoche gesunken. Von der Marke 100, unter der wenigstens nur noch hohes Risiko bzw. orange beginnt, ist man freilich überall noch deutlich entfernt. In den Spitälern ist die Lage weiter angespannt.
Öffnung nur im Osten?
Am besten sieht die Lage im Osten aus. Wien liegt bei einer Risikozahl von 210, das Burgenland bei 306 und Niederösterreich bei 486. Die Virologin Dorothee von Laer empfiehlt denn auch eine Öffnung nach dem Lockdown vorläufig nur für den Osten Österreichs. Im Süden, also Kärnten und Steiermark, hält sie ein Lockdown-Ende zum vorgesehenen Zeitpunkt, dem 12. Dezember, im Gespräch mit dem Kurier für "illusorisch". Im Westen sei man mit dem Contact-Tracing nicht weit genug. „Als Virologin kann ich nur sagen: Im Frühjahr war nur der Osten zugesperrt. Warum soll das jetzt nicht auch umgekehrt funktionieren?“
Am anderen Ende der Skala ist Tirol mit einer Risikozahl von 1.491 klar an der Spitze, gefolgt von Kärnten mit 1.233. Was den 14-Tage-Trend bei den Infektionszahlen anlangt, geht es in diesen beiden Bundesländern sowie in Vorarlberg und der Steiermark weiter nach oben. Der Unterschied bei der Risikozahl ist, dass bei dieser auch Faktoren wie Alter der Infizierten und Impfstatus einberechnet werden.
Weitere Runde zur Impfpflicht
Heute gab es indes eine weitere Gesprächsrunde zur Impfpflicht, zu der Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) geladen hatten.
Mit dabei unter anderem Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres, der Präsident des Behindertenrats Michael Svoboda, Vertreter der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) sowie Ingrid Korosec, Präsidentin des Seniorenbundes, und Franz Lackner, Erzbischof von Salzburg und Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz.
Insbesondere im Pflegebereich und in den Spitälern würde er sich die Impfpflicht ab sofort wünschen, sagte Szekeres vor dem Treffen. Er rechnet jedoch damit, dass diese zeitgleich mit der allgemeinen Pflicht im Februar kommen werde, da es "Vorlaufzeiten gibt".
Am Freitag hatten mehr als sechs Millionen Menschen in Österreich ein gültiges Impfzertifikat. Szekeres sprach sich dafür aus, dass "wir innerhalb der nächsten zwei Wochen Gas geben". Hier komme den niedergelassenen Ärzten eine große Rolle zu.
Impfpflicht für alle ab 14
Wie die Impfpflicht rechtlich ausgestaltet wird, ist großteils noch offen. Vorgesehen ist sie nach aktuellem Stand für Personen ab 14 Jahren. Dieses Alter kann Szekeres "gut nachvollziehen", wobei es "medizinisch Sinn macht, dass man auch die Kinder ab fünf Jahren impft", für sie ist die Corona-Schutzimpfung immerhin bereits zugelassen.
Über das Wochenende soll der Gesetzesentwurf finalisiert werden und in der kommenden Woche in eine mindestens vierwöchige Begutachtung gehen. Für Verstöße gegen die Impfpflicht sind Verwaltungsstrafen vorgesehen. "Strafen sind durchaus berechtigt, die Strafhöhe sollte sozial gestaffelt sein", forderte Szekeres. Die derzeitige Umbildung der Regierung wirke sich hoffentlich nicht auf die Coronapolitik aus, meinte der Ärztekammerpräsident.
Die Impfpflicht sei jedenfalls notwendig, ebenso Auffrischungsimpfungen, weil der Schutz nachlässt. Am Beispiel Israels habe man gesehen, dass mit einem raschen Verimpfen der dritten Dosis die Zahl der Infektionen zurückgegangen ist. Das wünsche er sich auch für Österreich, sagte Szekeres.
Zahlen geben Anlass zu Optimismus
Zurück zur aktuellen Lage: Positiv ist, dass der Replikationsfaktor, also die durchschnittliche Zahl jener, die ein Infizierter ansteckt, in den vormaligen Problemländern Oberösterreich und Salzburg mittlerweile recht deutlich unter eins gerutscht ist und bei 0,94 bzw. 0,95 liegt. Dieser Faktor gilt in der Pandemie-Betrachtung als besonders wichtig, da er eine steigende (über 1) oder sinkende aktuelle Entwicklung (unter 1) ausweist.
Wie unterschiedlich die Situation im Land ist, zeigt sich bei einem Blick auf die rohen Fallzahlen. So gab es im 14-Tage-Trend in allen oberösterreichischen und burgenländischen Bezirken einen Rückgang oder zumindest Stillstand, während es in Kärnten und Vorarlberg ebenfalls überall einen Anstieg der Inzidenz gab. Die schlechtesten Werte hat dann mit Wolfsberg auch ein Kärntner Bezirk. Am günstigsten ist die Lage in Jennersdorf.
Getestet wird unverändert am meisten in Wien. Auf 100.000 Einwohner kamen zuletzt 126.000 Tests. Zum Vergleich: Beim Schlusslicht Niederösterreich sind es gut 67.000. Diese Woche wie jede davor ist Wien damit auch der Ausreißer beim Aufdecken asymptomatischer Fälle. Gleich 61 Prozent der in der Bundeshauptstadt entdeckten Fälle fanden sich bei Personen, die keine Symptome aufwiesen. Der Bundesschnitt liegt bei 26 Prozent. Auch nur in 28 Prozent der Fälle kann die Quelle abgeklärt werden. Den besten Wert hat hier ebenfalls Wien, den schlechtesten Oberösterreich.
Die Belastung des Gesundheitssystems ist im Vergleich zur Vorwoche gestiegen und lag bei einer Covid-spezifischen Auslastung der Intensivstationen von 31,4 Prozent bezogen auf alle gemeldeten Erwachsenen-Intensivbetten Österreichs. Die Prognoserechnungen zeigen Rückgänge der Auslastung von Intensivstationen auf ein Niveau von 21,3 Prozent im Punktschätzer der Prognose (439 ICU-Betten) gegen Ende der Prognoseperiode.
Laut Prognoserechnung sinkt mit hoher Wahrscheinlichkeit damit das österreichweite Systemrisiko in den kommenden Wochen wieder auf mittleres Systemrisiko. Mit Ausnahme von Kärnten sinkt die ICU-Auslastung in allen Bundesländern unter 30 Prozent. Demzufolge ist die medizinische Versorgung der österreichischen Bevölkerung in weiten Teilen des Landes noch akut bedroht, wobei in den nächsten zwei Wochen verhaltene Entspannung in den Spitälern einsetzen könnte.