Der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss ist auf Schiene. Der Geschäftsordnungsausschuss hat am Donnerstag den grundsätzlichen Beweisbeschluss einstimmig gefasst. Verlangt hat den U-Ausschuss die Opposition, zugestimmt haben jetzt auch ÖVP und Grüne. Im Zentrum der von SPÖ, FPÖ und NEOS verlangten Untersuchungen steht die Kanzlerschaft von Sebastian Kurz (ÖVP) - der mit dem heutigen Tag seinen Rückzug aus der Politik bekannt gab.
Beleuchtet haben will die Opposition, inwiefern zwischen 18. Dezember 2017 und 11. Oktober 2021 Vorteile an mit der ÖVP verbundene Personen durch Organe der Vollziehung des Bundes zu parteipolitischen Zwecken gewährt und damit Gesetze gebrochen wurden. Unmittelbarer Anlass für den Antrag von SPÖ, FPÖ und NEOS war, dass im Oktober Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Kurz und andere wegen Untreue und Bestechlichkeit in der neuen Inseratenaffäre bekannt wurden. Auch vorbereitende Handlungen im Zusammenhang mit dem "Projekt Ballhausplatz" werden beleuchtet.
Anders als beim Ibiza-U-Ausschuss gab es diesmal keine Anträge der Regierungsparteien auf Abänderungen. Sowohl das Einsetzungsverlangen als auch der Untersuchungsgegenstand wurde in der von der Opposition verlangten Form einstimmig gebilligt. Nach der heutigen Feststellung, dass der Antrag der Geschäftsordnung entspricht, fehlt nur noch ein Formalakt: Der entsprechende Tagesordnungspunkt muss im nächsten Nationalratsplenum aufgerufen werden. Dann gilt der Antrag als angenommen - und der U-Ausschuss kann seine Arbeit beginnen.
Zunächst müssen laut dem grundsätzlichen Beweisbeschluss 25 Stellen dem Parlament (bis 26. Jänner 2022) Akten und Unterlagen liefern - darunter alle Ministerien, alle Landesregierungen, Bundespräsident und Nationalratspräsident, Rechnungshof, die Oesterreichische Nationalbank, Finanzmarktaufsicht und Finanzprokuratur, der Oberste Gerichtshof, die Bundesdisziplinarbehörde, der Unabhängige Parteien-Transparenzsenat und die Wirtschaftskammer Österreich.
Fixiert wurde mit dem Beschluss auch die Zusammensetzung des U-Ausschuss: Als Verfahrensrichter wurde im Geschäftsordnungsausschuss Ex-OLG-Vizepräsident Wolfgang Pöschl gewählt, die Richterin Christa Edwards (Oberlandesgericht Wien) ist seine Stellvertreterin. Über die Einhaltung der Grund- und Persönlichkeitsrechte der Auskunftspersonen werden Barbara Weiß (Bundesverwaltungsgericht) als Verfahrensanwältin und als ihr Stellvertreter der Rechtsanwalt Andreas Joklik wachen. Die ÖVP stellt fünf der 13 Mitglieder, die SPÖ drei, FPÖ und Grünen jeweils zwei, die NEOS eines. Den Vorsitz hat gemäß Verfahrensordnung Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP).
Die Fraktionen haben sich außerdem auf die Redeordnung bei Befragungen verständigt. Demnach sind bis zu drei Fragerunden pro Auskunftsperson vorgesehen, wobei das Erstfragerecht zwischen den Fraktionen rotiert.
Der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss ist nach dem Ibiza-Untersuchungsausschuss der 27. Untersuchungsausschuss in der Zweiten Republik und der sechste, der nach den neuen U-Ausschuss-Regeln eingesetzt wird. Fünf davon gehen auf ein Minderheitsverlangen zurück, für das es zumindest die Unterstützung eines Viertels der Abgeordneten (46) braucht. Die Dauer des U-Ausschusses ist laut Verfahrensordnung grundsätzlich auf 14 Monate begrenzt, im Bedarfsfall kann er auf bis zu 20 Monate verlängert werden.