Die Symbolik ist zwar verheerend und wirft ein Schlaglicht auf aktuelle Machtbalance im Land, sinnvoll war es allemal: dass Bundeskanzler Alexander Schallenberg und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein am Donnerstagnachmittag von Wien aus ins 450 Kilometer entfernte Pertisau aufgebrochen sind, um die Landeshauptleute zu treffen – und nicht umgekehrt. Der Kanzler trudelte eine halbe Stunde früher am Achensee als Mückstein ein, letzterer musste sein E-Auto zwischendurch aufladen. „Wir hatten überlegt, uns von Wien aus per Video zuzuschalten“, heißt es in Regierungskreisen, „haben es aber schnell verworfen. Wenn so viel auf dem Spiel steht, muss man sich zusammensetzen.“
Bis zwei Uhr früh
Bis zwei Uhr früh saß man zusammen, Schallenberg, Mückstein und fünf der neun Landeshauptleute.Thomas Stelzer (Oberösterreich) und Wilfried Haslauer (Salzburg) hatten sich für einen regionalen Lockdown entschieden und blieben zu Hause. Markus Wallner war in Vorarlberg in Quarantäne, Hans Peter Doskozil hatte noch eine Landtagssitzung im Burgenland zu absolvieren und traf erst nach Mitternacht ein. Am Achensee haben die Landeshauptleute Geschichte geschrieben – und im Kampf gegen die Pandemie den Takt vorgegeben. Angesichts des Machtvakuums im Bund keine Überraschung.
Tauziehen um den Lockdown
Besonders lang währte das Tauziehen um den bundesweiten Lockdown. Der Vorstoß kam von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, der sich mit seinem Kärntner Kollegen Peter Kaiser und telefonisch mit SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner vorab auf diese Linie geeinigt hatte, Doskozil saß noch im Auto, war aber inhaltlich mit an Bord. Die schwarzen Landeschefs hatten zunächst keine Freunde damit, allerdings hatten sie keinen leichten Stand, weil Stunden zuvor der Oberösterreicher Stelzer und der Salzburger Haslauer den Alleingang geprobt hatten und aus der türkis-schwarzen Anti-Lockdown-Phalanx ausgebrochen waren.
Schützenhöfer schwenkte
Den größten Widerstand leistete Gastgeber Günther Platter, der sich zu der Bemerkung hinreißen ließ. „Wenn das kommt, sind wir in Tirol (politisch) tot.“ Platter verließ vorzeitig die Sitzung. Auch Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, die in etwas mehr als einem Jahr Wahlen zu schlagen hat, sperrte sich über weite Strecken gegen bundesweite Ausgangsbeschränkungen, ebenso Bundeskanzler Alexander Schallenberg. Als erster ÖVP-Landeshauptmann schloss sich der Steirer Hermann Schützenhöfer dem Ludwig-Vorschlag an – in weiser Voraussicht: Die Steiermark hat derzeit zwar die niedrigsten Inzidenzen nach Wien, angesichts der ungebremsten Infektionsdynamik hätte Schützenhöfer womöglich in zwei Wochen die Notbremse ziehen müssen. Schließlich gaben Mikl-Leitner und Schallenberg klein bei – und den Widerstand auf.
Thema Impfpflicht
Bei der Impfpflicht zählte Schützenhöfer zu den Wortführern. In dieser Frage ging es schneller. Als auch Ludwig wie auch Schallenberg auf den Kurs einschwenkten, war die Sache gelaufen. Der Steirer musste von der Idee einer Impfprämie Abstand nehmen, Mückstein, der nach übereinstimmenden Augenzeugenberichten eine untergeordnete Rolle in der Achenseer Verhandlungsnacht spielte, drängte auf eine ordentliche Begutachtung, deshalb das Inkrafttreten am 1. Februar. Die Achensee-Vereinbarung trägt die Unterschriften von ÖVP, SPÖ und Grüne.