Wann immer der Kanzler zum Krisengipfel lädt, heißt es für die Medienvertreter warten. Zunächst draußen am Ballhausplatz, wo Minister, Landeshauptleute, Sozialpartner, Virologen abgepasst werden – in der Hoffnung, ihnen ein Wort zu entlocken. Manche schlagen den Journalisten ein Schnippchen, indem sie sich mit dem Auto ins Kanzleramt hineinkutschieren lassen, vordringlich die ÖVP-Landeshauptleute. Andere wiederum wie Wiens Bürgermeister Michael Ludwig oder Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser kommen zu Fuß und geben Auskunft, manche wählen den Hintereingang. Am Freitag tauchten einige Landeshauptleute gar nicht erst auf, ließen sich vertreten wie die Niederösterreicherin Johanna Mikl-Leitner, die in einem Jahr Wahlen zu schlagen hat, oder wurden virtuell zugeschaltet wie Hans Peter Doskozil, der Vorarlberger Markus Wallner oder der Oberösterreicher Thomas Stelzer, der nur am Handy zu hören war.
Diesmal wurde das Ritual auf den Kopf gestellt. Knapp vor Beginn des für 18 Uhr angesetzten Gipfels tauchte aus dem nächtlichen Dunkel plötzlich Bundeskanzler Alexander Schallenberg, begleitet von den ÖVP-Landeshauptleuten Wilfried Haslauer, Hermann Schützenhöfer, Günther Platter, Mikl-Leitner-Stellvertreter Stephan Pernkopf, Innenminister Karl Nehammer sowie Bernhard Bonelli, der unter dem alten wie auch dem neuen Kanzler als Kabinettschef dient, auf. Schnellen Schrittes überquerte man den Platz und verschwand wortlos im Kanzleramt.
Nach Informationen der Kleinen Zeitung hatten sich die ÖVP-Granden vor dem Krisengipfel mit Parteichef Sebastian Kurz getroffen. Was beim Geheimtreffen der Landesparteiobleute genau besprochen wurde, bleibt unklar. Nur so viel sickerte durch: Nach dem Freispruch von Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek und der Einstellung der Verfahren gegen den alten und den neuen Finanzminister Hartwig Löger und Gernot Blümel soll sich Kurz zuversichtlich gezeigt haben, dass bald auch sein Fall ad acta gelegt wird. Ob die Rechnung aufgeht, bleibt abzuwarten. In jedem Fall glaubt der Altkanzler an ein Comeback.
Beim Coronagipfel haben sich Bund und Länder auf Verschärfungen verständigt, auch Burgenlands Doskozil spielte mit. Laut Insidern soll die Angst vor einem Lockdown und europaweiten Reisewarnungen die Entscheidung beschleunigt haben. Die Frage der Kinder- wie auch der Boosterimpfung soll nicht zur Zufriedenheit der Landeshauptleute abgehandelt worden sein. Im Vorfeld des Coronagipfels wurde von Virologen die Option eines Lockdowns ins Spiel gebracht – mit dem Argument, nur so könne sich eine rasche Trendwende einstellen. Epidemiologe Gerald Gartlehner brachte das Dilemma auf den Punkt: „Will man die Infektionszahlen rasch nach unten bringen, um die Wintersaison in einem Monat zu retten, könnte ein genereller, regionaler Lockdown die einzige Möglichkeit sein.“ Epidemiologisch komme man auch ohne Lockdown aus.
Für Überraschung sorgte bei der abschließenden Pressekonferenz die Anwesenheit des Kärntner Landeshauptmanns Kaiser. Der erklärte Großkoalitionär Schützenhöfer soll darauf gedrängt haben, dass auch ein roter Landeschef bei der Präsentation mit an Bord ist.