Bei der Landesversammlung der Wiener Grünen sind am Samstag die nicht amtsführende Stadträtin Judith Pühringer und Peter Kraus zu neuen Parteiobleuten gewählt worden - mit einer Zustimmung von 83,6 Prozent. Sie erhielten 168 von 201 abgegebenen gültigen Stimmen. Angetreten waren sie gemeinsam als Spitzenduo. Gegenkandidaturen gab es nicht.
Die beiden künftigen Spitzenkräfte wollen nicht nur im Team die Partei anführen - sie verzichteten auch auf Einzelreden. Pühringer begründete den Umstand, dass man nicht gegeneinander antrete, sondern gemeinsame Sache mache, mit dem Wunsch nach einem Paradigmenwechsel. Man wolle die politische Kultur verändern und künftig auf Kooperation setzen. "Nicht nur für die Wiener Grünen sondern für die Politik insgesamt" hob Pühringer hervor.
Das Motto laute, gemeinsam statt "einsame Wölfe und Heilsbringer". Man wolle unterschiedliche Stimmen hören, als Gegenmodell zur "Message Control". In der Politik gehe es darum, einen "wirklichen Unterschied" für die Menschen zu machen.
Donaustadt wird zur "Betonaustadt"
Kraus beklagte, dass "Rot und Rosarot" die Stadt völlig im Stich lassen würden, trotz der drohenden Klimakrise. Diesbezügliche Visionen suche man vergeblich, bemängelte man - wobei auf frühere Projekte wie etwa die 365-Euro-Jahreskarte verwiesen wurde, die unter Rot-Grün eingeführt wurde. "Die Vorbilder sind heute andere", kritisierte Kraus.
Er verwies hier etwa auf Verkehrs- und Umweltvorhaben Paris oder Barcelona. In Wien werde hingen aus der Donaustadt nun die "Betonaustadt", warnte er. Die SPÖ könne es nicht mehr erwarten, neue Autobahnen durch das Naturschutzgebiet oder durch die Stadt zu "fräsen".
Bildungsversprechen gebrochen
Pühringer bekrittelte auch den "Bruch des Bildungsversprechens" durch die NEOS, die nun das entsprechende Ressort innehaben. Es gebe an zahlreichen Schulen weniger Lehrer und weniger Stunden. Verlierer, so befand die Kandidatin, dürfe es im Bildungsbereich aber nie geben. "Wir sehen ganz klar, es braucht uns Grüne", konstatierte sie.
Pühringer und Kraus kündigten ein grünes "Grundsatzprogramm" an. Dieses solle im Rahmen eines Programmprozesses erstellt werden. Der Auftakt dazu soll heute im Rahmen der Landesversammlung erfolgen. Nichts geringeres als das beste Programm aller Wiener Parteien sei das Ziel, hieß es.
Kogler-Rede zum Auftakt
Bundessprecher und Vizekanzler Werner Kogler hatte zuvor in der Landesversammlung ebenfalls das Wort ergriffen und über das bundespolitische Geschehen der vergangenen Tage berichtet. Dabei war er voll des Lobes für seine Partei. Die Grünen würden "staatspolitische Verantwortung" wahrnehmen, beteuerte er.
Kogler zeigte sich in seiner Rede zunächst erfreut, dass die Landesversammlung wieder als Präsenzveranstaltung durchgeführt wird - nachdem zuletzt die Wiener Partei noch auf Online-Events gesetzt hatte. In den nächsten Monaten wolle sich die Bundespartei und die Regierungsmitglieder mit der Landespartei des öfteren informell treffen, kündigte er an.
Kogler: "Bewährungsprobe für alle"
Jeder würde überrascht sein, "wenn ich nicht darauf eingehen würde, was in den letzten Wochen und Tagen geschehen ist", befand der Bundessprecher. Man habe sich um Verlässlichkeit und Stabilität bemüht. "Das sind die Grünen und das macht mich stolz." Kogler sprach von einer Bewährungsprobe für alle. Besonderen Dank sprach er Bundespräsident Alexander Van der Bellen aus. Vor diesem wolle er sich verneigen, denn er nehme eine tragende Rolle ein.
"Auch das Parlament hat eine Bewährungsprobe hingelegt", sagte Kogler. Dies habe über alle Parteigrenzen gut funktioniert. Hier wolle er als erste die Klubchefin der Grünen, Sigi Maurer, adressieren, betonte er - die bei der Landesversammlung als Mitglied des Präsidiums fungierte. Auch die "allermeisten" Medien hätten unabhängig berichtet. "Es wurden sehr viele kritische Fakten auf den Tisch gelegt."
"Wir haben mehrere Varianten gehabt in der Krise", berichtete er. Hier sei die ständige interne Abstimmung ganz wichtig gewesen. Besonders hob er den laufenden Kontakt mit den Landesparteien der Grünen - auch mit jener in Wien - hervor.
Keine "taktischen Gründe"
Was aus den Chats hervorleuchte, sei völlig eindeutig gewesen, hielt Kogler fest. Angesichts der in der Anordnung zu den Hausdurchsuchungen (bei der ÖVP, Anm.) dargelegten Vorwürfe, habe man sich entschieden, Konsequenzen zu fordern. "Nicht aus taktischen Gründen." Die Grünen seien nicht diejenigen gewesen, die den "ganzen Quargel" aufgerührt hätten. Man nehme die staatspolitische Verantwortung wahr und versuche, sofort wieder Orientierung zu geben.
"Die unabhängige Justiz, das ist eine ganz wesentliche Säule", zeigte sich Kogler weiters überzeugt, wobei er die anwesende Justizministerin Alma Zadić ausdrücklich begrüßte - was mit kräftigem Applaus quittiert wurde. Man müsse die Justiz arbeiten lassen. Und es sei notwendig gewesen, festzuhalten, dass Angriffe auf diese nicht zulässig seien.
Halte man eine Hausdurchsuchung für nicht gerechtfertigt, könne man Rechtsmittel etwa gegen die Verwendung der erhobenen Daten einlegen. "Wer sich ungerecht behandelt fühlt, soll sich an den Rechtsstaat wenden, aber nicht den Rechtsstaat attackieren", betonte Kogler.
Der Vizekanzler hob weiters das grüne Engagement bei der Steuerreform hervor. Dass der CO2-Preis "viel zu niedrig" sei, könne man diskutieren. Aber es sei der Beginn einer neuen Denkweise zu verzeichnen. Die "Rückverteilung" via Klimabonus lobte er als einen "sozialen Ausgleich". "Es braucht sich keiner Sorgen machen, dass wir nicht an die Zukunft denken." In Wien stehe die SPÖ hingegen verlässlich auf der falschen Seite, verweis er auch auf die Auseinandersetzung um die Lobau-Autobahn.
Grüne wählen neue Doppelspitze
Die Grünen entscheiden nach dem Rücktritt von Birgit Hebein heute über eine neue Parteiführung. Sie hatte erst 2019 von Maria Vassilakou das Amt der Verkehrsstadträtin bzw. Vizebürgermeisterin übernommen und wurde wenig später auch zur ersten Parteiobfrau der Wiener Grünen gekürt. Als sich die Wiener SPÖ nach der Wahl 2020 für eine Koalition mit den NEOS und gegen die Grünen entschied erhielt Hebein keinen Posten im Klub. Verärgert legte sie Mandat und Parteivorsitz zurück.
Aktuell ist Landesparteisekretär Peter Kristöfel interimistisch Parteichef. Die Voraussetzungen dafür, dass künftig ein aus zwei Personen bestehendes Team an der Spitze stehen darf, wurden vor wenigen Wochen mittels Statutenänderung geschaffen. Nicht ausgeschlossen ist, dass auch die bundespolitische Causa Prima - also die ÖVP-Ermittlungen und die Situation in der Koalition - bei dem Treffen zur Sprache kommt. Kritik an der Fortsetzung von Türkis-Grün hat es aber auch aus Wien nicht gegeben, eine kontroverse Debatte ist nicht zu erwarten.