Ungefähr zehn Prozent mehr Menschen in Österreich müssten sich noch impfen lassen oder aber eine Corona-Infektion durchmachen, "damit wir einen Gesamtschutz haben, dass wir wie in England und wie in Dänemark die Pandemie für beendet erklären können", sagte Dorothee von Laer von der Medizinischen Universität Innsbruck im Ö1 Morgenjournal. Eine Verkürzung der zumindest zehntägigen Quarantänezeit bei Infektionsfällen in Klassen hält die Virologin für denkbar.
Es sei ihrer Meinung nach vorstellbar, "dass man nach fünf Tagen einen PCR-Test macht und dann die Kinder wieder zur Schule schickt, wenn der negativ ist". Die Delta-Variante sei allerdings so ansteckend, "dass es relativ wahrscheinlich ist, dass auch Kinder, die weiter entfernt sind, sich anstecken. Also wenn man wirklich die Infektionen in der Klasse gleich im Keim ersticken will, muss man wahrscheinlich tatsächlich alle Kinder zumindest für fünf Tage in Quarantäne schicken".
"Nicht genügend Immunität"
Das Problem bei Coronafällen in den Schulen seien - abgesehen von durch Vorerkrankungen besonders gefährdeten Kindern und Jugendlichen - "nicht unbedingt die Kinder. Das Problem sind natürlich die Eltern oder die anderen Kontaktpersonen der Kinder, die noch nicht geimpft sind". Derzeit sei Österreich "noch nicht bei dem Punkt angekommen, wo wir eine genügende Immunität in der Bevölkerung haben, um es auch bei Kindern mehr laufen zu lassen". Österreichweit sind knapp 60 Prozent der Menschen zweifach gegen SARS-CoV-2 geimpft. In der vergangenen Woche ist ihr Anteil nur um rund 0,6 Prozent gestiegen.
Risikokinder etwa mit Herzerkrankungen oder Asthma betreffend solle man "durchaus erwägen, ob man diese Kinder, auch wenn die Zulassung noch nicht da ist", off-label impft. Die Studien mit Sechs- bis Zwölfjährigen würden gut aussehen, sagte von Laer. Bei Kindern, die ein hohes Risiko haben, an Covid zu erkranken, könnten daher Kinderärzte die Impfung auch ohne Zulassung in Betracht ziehen.
Antikörperstudie gefordert
Die Innsbrucker Virologin Dorothee Von Laer plädiert in einem Interview mit der "Tiroler Tageszeitung" (Sonntagsausgabe) für eine bundesweite Antikörperstudie. 5.000 Menschen an repräsentativen Orten zu testen würde ausreichen, so die Virologin. Dazu bräuchte es vorher die Zustimmung der Ethikkommission und einen Auftrag des Bundes. Ferner zeigte sich Von Laer überzeugt, dass der aussagekräftige Antikörperwert auch Einzug in den Grünen Pass finden wird.
"Studien dazu sind derzeit am Laufen und man wird wie z. B. bei Hepatitis B einen klaren Grenzwert festlegen können, ab dem man als geschützt gilt", erläuterte sie. In bisherigen Studien konnte festgestellt werden, "dass ab dem von der Weltgesundheitsorganisation WHO standardisierten Antikörperwert von 100 BAU/ml (Binding Antibody Units) zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Schutz gegeben ist", zitierte Von Laer den aktuellen Forschungsstand.
Bei den Geimpften sei es dagegen oft schwierig, Aussagen über den Wert des Antikörpertiters zu treffen. "Wie wir sehen, gibt es bei der Delta-Variante Impfdurchbrüche, obwohl der Titer hoch ist" meinte Von Laer im Gespräch mit der "TT". Wer eine Infektion durchgemacht hat, bilde unter anderem Anti-N-Antikörper (gegen das Nucleocapsid-Antigen) und -S-Antikörper (gegen das Spike-Protein) sowie T-Zellen (langfristige Immunantwort). Die Geimpften würden dagegen nur Anti-S-Antikörper bilden, erklärte die Wissenschafterin. So könne man herausfinden, wer bereits eine Corona-Erkrankung durchgemacht hat.
Genesene vs. Geimpfte
Der Schutz der Genesenen sei gleichzusetzen mit dem Schutz der Geimpften, der Immunschutz bei Genesenen hingegen sogar noch stabiler. Bei Genesenen könne man nach 18 Monaten noch Antikörper nachweisen, nach der Pfizer-Impfung sinke der Titerwert um rund sechs Prozent pro Monat.
Was die Auffrischungsimpfung betrifft, empfahl Von Laer älteren Personen und Risikopatienten einen dritten Stich nach acht Monaten, einen Antikörpertest hielt sie in jenen Fällen nicht für notwendig. Alle anderen könnten bei einem Antikörperwert über 100 BAU/ml bis 150 BAU/ml aber zuwarten, so die Innsbrucker Medizinerin.