Ob Coronatests im Herbst kostenpflichtig sein sollen, um einen weiteren Anreiz zu einer Impfung zu geben, wird auf der politischen Ebene gerade debattiert. Das Rote Kreuz hält diese Idee für "kontraproduktiv". Es sei eine "schlechte Strategie", Ungeimpfte dadurch zu bestrafen, sagt Barbara Juen, Leiterin der Psychosozialen Dienste des Roten Kreuzes. Andere Anreize (etwa Gutscheine oder Freibier) seien zwar wirksam, "alleine bringen sie aber nichts", sagt Juen. Vielmehr müsse man sich ansehen, weshalb sich einzelne Personen nicht impfen lassen würden, die Menschen aktiv zu informieren und die Barrieren auf dem Weg zur Impfung möglichst gering zu halten.
Auch eine Impfpflicht und die ständige Diskussion darüber würde das Vertrauen unterminieren. Außerdem würde dadurch die Kommunikation vernachlässigt werden, die für Juen der Schlüssel für eine höhere Impfrate ist. Sie selbst hätte das bei den Zivildienern in ihrem Haus gemerkt. Durch intensive und ernsthaft Gespräche konnte die Impfquote von 50 Prozent auf 90 Prozent gesteigert werden. Zu einer guten öffentlichen Kommunikation gehöre aber auch "ein vernünftiger Umgang mit Fakten und eine gute Bereitschaft zum Dialog und zur Debatte", sagt etwa Generalsekretär Michael Opriesnig.
Besseres Krisenmanagement gefordert
Generell habe die Pandemie gezeigt, dass es großen Nachholbedarf bei der Katastrophenvorsorge gebe, sagt Opriesnig: "Österreich ist institutionell nicht für große Gesundheitskrisen gerüstet." Gerade die vielen Zuständigkeiten seien einer kohärenten und raschen Reaktion im Wege gestanden. Gerade die nach wie vor schlechte Datenlage sei eine Zeichen dafür. Um die Resilienz zu fördern, müssen auch die Rettungsdienste gefördert werden, verlangte Opriesnig fünf Prozent des Budgets des Katastrophenfonds. "Das wären 20 Millionen Euro, die in die Prävention gesteckt werden können.". Das Rote Kreuz würde damit beispielsweise die Dienststellen mit Notstromaggregaten ausrüsten.
Gesellschaftlich sieht das Rote Kreuz Bedarf an einem "Neuen Miteinander": "Die Coronakrise treibt einen Keil der Spaltung durch unsere Gesellschaft. Wir merken auch, dass immer mehr Menschen in Not geraten", sagt Rotkreuz-Präsident Gerald Schöpfer. Eher ein Gegeneinander als ein Miteinander ortet Barbara Juen auch in der Arbeit der Psychosozialen Dienste. Sie rechnet mit "massiven psychischen Spätfolgen" der Krise und sieht ein breiteres Unterstützungsangebot als notwendig: "Da braucht es einen besseren Zugang zu Psychotherapie, aber vor allem auch mehr niederschwellige Angebote", sagt Juen. Das Rote Kruez selbst betreibe beispielsweise mit der Whatsapp-Beratung "time4friends" und der "Ö3 Kummernummer" solche Initiativen.
Peter Schöggl