Totgesagte leben länger. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hat praktisch von Anfang an damit zu kämpfen, dass ihr ein nahes Ende vorausgesagt wird. Und sie hat all jene, die das in periodischen Abständen zelebrierte interne Messerwetzen jeweils schon als Einleitung ihres Abganges missverstanden haben, Lügen gestraft. 

Aber was ihre Gegner geschafft haben, ist, dass sie ihr bis heute die Bühne nehmen. Konsequent und immer wieder. Im mildesten Fall, indem sie ihr zum geeigneten Zeitpunkt die Show stehlen. Gegebenenfalls aber auch, indem sie ihre Positionen schlicht unterlaufen.

Heute, beim ORF-Sommergespräch, wird Rendi-Wagner einen neuen Anlauf starten, sich inhaltlich zu positionieren.

In Sachen Pandemie ist sie Expertin, besetzt damit aber kein Thema, mit dem sie sich bei der Bevölkerung beliebt machen kann. Mit ihrer konsequenten Haltung, wonach Vorsicht walten sollte und eher strengere als zu lockere Maßnahmen zu setzen seien, stieß sie auch auf viel Widerstand.

Zwei Themen, mit denen sie bei der SPÖ-affinen Klientel besser punkten könnte, liegen auf der Hand: Die Pflegenotstand, wo sie schon am Tag vor der Sendung mit einem Vorstoß für ein Mindestgehalt von 1700 Euro für Pflegeschüler auf sich aufmerksam machte, und das Thema Wohnen. Hier kündigte die SPÖ schon im Frühsommer eine Initiative für den Herbst an.

Schwachstelle Kommunikation

Eine Schwachstelle der Partei, so Politologe Peter Filzmaier, könnte dabei auch diesmal wieder deutlich werden: Die Kommunikation. "Entscheidend ist nicht, wie gut der Politiker, die Politikerin in der Sekunde sprachlich ist, und was er oder sie über die Bühne bringt. Entscheidend ist das Echo." Was meint er damit?

Die ÖVP zeige vor, wie es funktioniert: Postings auf allen Social Media Kanälen noch am selben Tag, Flankenschutz tags darauf durch Wortmeldungen von Bürgermeistern, Gewerkschafterin, Mitstreitern. Bei der Volkspartei arte das zuweilen geradezu in "schreiendes Jubel-Sprech" aus, aber es verfehle seine Wirkung nicht. "In der SPÖ muss die Chefin eher Angst haben, dass am nächsten Tag keiner das Gegenteil sagt. Wenn es keiner tut, ist es schon ein Erfolg, ein Minimalanspruch an sich selbst."

Die Rahmenbedingungen seien nicht ideal: Schlechte Wahlergebnisse, weniger Mittel für Kommunikation, kein Einfluss auf die Regierungspolitik. Und das Gefühl, dass alle Journalisten und Politikbeobachter gegen die SPÖ sind, dass man nur deshalb nicht drüber komme. Filzmaier trocken: "So kann man sich eigenes Kommunikationsversagen auch schön reden."

Wahlen in Wien und Oberösterreich

Die Wahlen in Graz und in Oberösterreich stehen bevor. Beides vermutlich kein Grund zum Jubeln. Maximal minimale Zugewinne sind zu erwarten, ausgehend von historisch niedrigem Niveau. Auch wenn es in Wien, im Burgenland zuletzt besser lief: Vom Umstand, dass sich die FPÖ selbst in die Luft sprengte, hat die SPÖ nicht so profitiert wie sie es angesichts des langjährigen Wunsches, dies möge so kommen, erhoffte.

Die ÖVP steht gut da, aber nicht ohne Risiko, angesichts einer möglichen Anklage gegen den Kanzler. Filzmaier sieht auch hier wenig Perspektive für die SPÖ: "Sollte die ÖVP implodieren, und so sieht es derzeit nicht aus, wäre wahrscheinlich die FPÖ der Hauptprofiteur, nicht die SPÖ." Es fehle die eigene Strategie, die Person an der Spitze, die vor allem auch die eigenen Leute begeistere.

SPÖ in der Selbstkrise

Die SPÖ in der Selbstkrise, und das seit vielen Jahren. Ein Thema, an dem sich diese Krise entzündete, war immer wieder die Migrationspolitik. Tirols Georg Dornauer, Burgenlands Hans Peter Doskozil fuhren der Chefin in die Parade. Die Parteilinke ist verstummt. Viele haben das Gefühl, der Partei ist das ideologische Verbindende, das Fundament längst abhanden gekommen. Da hilft es wenig, dass Rendi-Wagner das sachlich Richtige sagt: Dass die Flüchtlingskrise international gelöst werden müsse, dass Österreich al neutrale Land der ideale Boden für eine Afghanistan-Konferenz wäre, dass viel mehr Geld freigemacht werden müsste für die Hilfe vor Ort.

Beide, Dornauer wie Doskozil, halten sich seit dem letzten Eklat im Gefolge der von Mord an Leonie bestimmten Flüchtlingsdebatte (Rendi-Wagner: "Doskozil ist unehrlich und inkonsequent", Doskozil: "Das ist Kindergartenniveau") zurück. Der Landeshauptmann des kleinen Burgenlandes wird dennoch als gefährlichster Gegner empfunden.

Er ist immerhin einer von drei roten Landeshauptleute in Österreich. Und die burgenländische Soziologin Lisa Sinowatz, Enkelin des ehemaligen SPÖ-Bundeskanzlers, stellt in ihren Betrachtungen zum "Sozialdemokratischen Schattenboxen" die Vermutung in den Raum, dass Doskozil "mit seinem Sammelsurium populistischer Versatzstücke eine unliebsame Erinnerung an die verdrängten Widersprüche im Kern der Sozialdemokratie selbst" ist.

Kaum noch Kritik von Links. Die Parteirechten hätten das Monopol auf Kritik innerhalb der SPÖ. Die Zustände in der Sozialdemokratie spiegelten damit die allgemeinen politischen Verhältnisse wider. Die alten, unbeantworteten Fragen platzten auf. Darauf wisse die Chefin keine Antwort, so wenig wie alle anderen Chefs vor ihr.

Wenn Rendi-Wagner heute die Pflege-Debatte anspricht, spricht sie ein Thema an, das viele berührt. Beim Thema Wohnen warten schon die nächsten innerparteilichen Gegner, denn wenn es Missstände gibt, so vor allem im städtischen Bereich, und da wird sich etwa Wiens Bürgermeister Michael Ludwig nicht unbetroffen fühlen.

Michael Ludwig und der Kärntner Peter Kaiser sind die anderen beiden roten Landeshauptleute. Sie halten der Chefin die Stange, aber sie lassen keinen Zweifel daran: Es ist eine geliehene Macht. Wie fragil das Gerüst ist zeigte der Parteitag, mit mageren 75 Prozent für Rendi-Wagner als Vorsitzende. Auch hier zeigte die ÖVP gerade vor, wie es anders geht.