Trotz der dramatischen Lage in Afghanistan hat sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) einmal mehr "klar" gegen eine freiwillige, zusätzliche Aufnahme von afghanischen Flüchtlingen in Österreichausgesprochen. Die internationale Gemeinschaft müsse jetzt "alles dafür tun", um die Situation in dem krisengebeutelten Land zu verbessern, doch Österreich müsse sich auch eingestehen, dass "nicht alles in unserer Macht liegt", sagte Kurz im Puls 24-Sommergespräch, das heute Abend um 20:15 auf Puls4 und Puls24 ausgestrahlt wird..
Österreich habe in den vergangenen Jahren bereits einen "überproportional großen Beitrag geleistet" und beherberge eine der größten afghanischen Communities Europas. Er sei deshalb "nicht der Meinung, dass wir in Österreich mehr Menschen aufnehmen sollten". "Das wird es unter meiner Kanzlerschaft nicht geben", betonte Kurz mit Verweis auf die "besonders schwierige Integration" von afghanischen Asylsuchenden hierzulande.
Turkmenistan und Usbekistan in der Pflicht
Den Menschen solle stattdessen in benachbarten Staaten geholfen werden, wiederholte er den von ÖVP-Politikern geäußerten Vorschlag der vergangenen Tage. Konkret sah Kurz etwa Turkmenistan und Usbekistan, die bisher nur relativ wenige Afghanen aufgenommen hätten, in der Pflicht. Die EU solle Länder in der Region unterstützen und sie davon überzeugen, "Menschen, die Schutz suchen, auch Schutz zu gewähren".
Zwar stehe "absolut außer Streit", dass die radikal-islamischen Taliban, die Afghanistan in den vergangenen Wochen im Eiltempo erobert hatten, "grausam" und die Lebensbedingungen in dem Land "furchtbar" seien. Doch müsse man sich klarmachen, dass "wir nicht alles in der Hand haben, wir können nicht bestimmen, wie es in anderen Ländern zugeht", so der Kanzler. Bürgerkriegsartige Zustände und immer wiederkehrende Unruhen seien "lange Geschichte und Tradition in diesem Land".
"Dürfen Fehler von 2015 nicht wiederholen"
"Wir dürfen die Fehler von 2015 nicht wiederholen", wurde Kurz zudem in einer von seinem Büro an die Kleine Zeitung übermittelten Stellungnahme zitiert. Der ÖVP-Chef meinte damit die Flüchtlingswelle im Sommer und Herbst vor sechs Jahren, als er als Außenminister bereits fast zwei Jahre im Amt gewesen war.
Der österreichische Migrationsexperte Gerald Knaus warnte am Samstag in diesem Zusammenhang in einem Radio-Interview davor, Angst vor einer möglichen Flüchtlingswelle aus Afghanistan zu schüren.
Die heutige Situation sei nicht mit jener von 2015 zu vergleichen, betonte er im Ö1-"Mittagsjournal". 2015 hätten Millionen von Menschen problemlos aus Syrien über die offene Grenze in die Türkei fliehen können, wo auch die allermeisten geblieben seien, sagte Knaus. Ein Teil lediglich habe sich via Ägäis eben auf den Weg nach Europa gemacht. "Heute ist die Situation radikal anders", so der Leiter der in Berlin ansässigen European Stability Initiative (ESI). "Die Menschen kommen aus Afghanistan - wie wir ja sehen auf den dramatischen Bildern aus Kabul sehen - nicht raus."
Gegner müssen nictht Straßen, sondern Emissionen sein
In Sachen Klimawandel betonte Kurz die extreme Relevanz dieser Frage. Man werde sich massiv anstrengen müssen, die Klimaziele zu erreichen, "das ist alles andere als einfach". Nicht unbedingt relevant sei aber, ob eine Straße gebaut werde oder nicht. Gute Infrastruktur sei wichtig. "Ich würde sagen, weder die Straße noch das Auto sind unser Gegner, sondern unser Gegner müssen die Emissionen sein", so der Bundeskanzler.
Im Streit von Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) mit den Bundesländern der Ostregion um das neue Klimaticket plädierte Kurz in Richtung seiner Regierungskollegin für Dialog. Wenn man mit den Betroffenen vor Ort in Ruhe spreche, "dann lässt sich das alles auflösen". Es gehe um Verständnis dafür, dass die verschiedenen Regionen unterschiedlich seien, auch was die Ausstattung mit Verkehrsinfrastruktur betreffe. "Ich glaube, dass das 1-2-3-Ticket ein wesentliches Projekt unserer Regierungsarbeit sein kann", meinte er.