Die SPÖ präsentierte ihre Version am Freitag, die Freiheitlichen taten selbiges bereits am vergangenen Dienstag. Zu einem späteren Zeitpunkt werden das NEOS, ÖVP und Grüne nachholen.
Bei der Präsentation des SPÖ-Berichts attestierte Fraktionsführer Jan Krainer der türkis-blauen Bundesregierung Käuflichkeit: "Ja, die türkis-blaue Bundesregierung war käuflich, ja, die Politik war käuflich." Hauptverantwortlich dafür sei die ÖVP gewesen. Lag nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos zu Beginn der Fokus noch auf den Freiheitlichen, habe sich durch die Aktenlieferungen schnell ein "vollkommen anderes Bild" ergeben. Es hätte sich gezeigt, dass wesentliche Vertreter der ÖVP wie der damalige Kanzleramtsminister Gernot Blümel oder der Kabinettschef im Finanzministerium und spätere ÖBAG-Chef Thomas Schmid "mit der Novomatic auf Du und Du" waren.
"Noch nicht fertig"
Insgesamt sei es einer der erfolgreichsten Ausschüsse überhaupt gewesen, findet Krainer und verwies auf "diverse Rücktritte und Suspendierungen". Man sei aber "nicht fertig" geworden. Tausende Akten seien erst kurz vor Ende der Befragungen geliefert, zehntausende seien von der Staatsanwaltschaft noch nicht ausgewertet worden, meinte Krainer, der aber erst im September darüber nachdenken möchte, welchen Themen sich ein weiterer U-Ausschuss widmen könnte ("Die Regierung bietet ja viele Möglichkeiten").
Eine "Logik des Gebens und Nehmens"
Ähnlich sah das NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper: Bis zum Herbst werde man die Entscheidung über einen weiteren U-Ausschuss treffen. Wichtig sei jedenfalls, dass die ÖVP mit ihrer Torpedierung des U-Ausschusses und ihrer Verzögerungstaktik bei den Aktenlieferungen nicht erfolgreich sein dürfe. Die NEOS werden ihren Bericht voraussichtlich Anfang September präsentieren, so Krisper. Für sie steht jedenfalls fest, dass der U-Ausschuss einer der erfolgreichsten überhaupt sei.
Zum einen habe er inhaltlich zum Untersuchungsgegenstand, die mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Regierung, "sehr vieles aufklären" können, findet Krisper. Zum anderen habe er gezeigt, dass Kurz zwar einen neuen Stil propagierte, sich in dessen Taten aber das Gegenteil gezeigt habe. Es gab eine "Logik des Geben und Nehmens", wie man am Beispiel Prikraf und an der Verflechtung mit dem Glücksspielkonzern Novomatic sehen könne. Und der Postenschacher habe unter der Regierung "Kurz I" zu "neuer Güte" gefunden.
Der Kanzler selbst sei in die Bestellung von Schmid zum ÖBAG-Chef persönlich involviert gewesen. Der Ausschuss habe auch den "Nepotismus der türkisen Familie" zutage gefördert und gezeigt, was die ÖVP bereit ist zu tun, um sich selbst zu schützen und den Machtmissbrauch unentdeckt zu halten, so Krisper. Einer der größten Erfolge sei in diesem Zusammenhang das Aufdecken der politischen Einflussnahme auf die Ermittlungen und der "Begleitschutz" gewesen, den der U-Ausschuss der WKStA lieferte.
"Verrohung der Kultur"
Die ÖVP präsentierte ihren Fraktionsbericht am Freitag ebenfalls noch nicht der Öffentlichkeit, ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger nützte aber die Gelegenheit, um die türkise Sichtweise auf den Ausschuss noch einmal zu deponieren: Dieser habe außer Unterstellungen, falschen Vorwürfen und Skandalisierungen gegenüber ÖVP-Regierungsmitgliedern nichts gebracht, so Hanger, der meinte, dass sich diese Einschätzung bis auf kleine Differenzen mit jener des Verfahrensrichters decke.
Zudem beklagte Hanger eine "dramatische Verrohung der politischen Kultur in Österreich". Kritik übte er vor allem an Krainer und Krisper. Diese hätten den U-Ausschuss für das Ausleben ihrer "persönlichen Profilierungsneurosen" missbraucht. So hätte es wochenlange Skandalisierungen gegen Nationalratspräsident und Ausschussvorsitzenden Wolfgang Sobotka (ÖVP) gegeben. Tatsächlich seien aber mittlerweile alle Strafanzeigen eingestellt worden, die beiden müssten sich eigentlich entschuldigen, so Hanger.
"Viele Belege für Käuflichkeit"
Auch die Grünen wollen ihren Bericht zu einem späteren Zeitpunkt präsentieren. Gegenüber dem Ö1-"Morgenjournal" meinte deren Fraktionsführerin Nina Tomaselli, dass man sich zu Beginn des Ibiza-Untersuchungsausschusses nicht erwartet hätte, "dass wir wirklich so viele Belege für die mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung finden werden - haben wir aber und entsprechend groß ist der Arbeitsaufwand für den Bericht".
Bereits am Dienstag hatten die Freiheitlichen als erste der fünf Fraktionen ihren Bericht präsentiert. Betitelt wurden die 150 Seiten mit "Der schwarze Faden". Die FPÖ ortet einen "tiefen Staat" der Volkspartei, beruhend auf einem Netzwerk, das Innen-, Justiz- und Finanzministerium durchzieht. Trotz mancher Teilerfolge wie den Rücktritt von Wolfgang Brandstetter als Verfassungsrichter und die Suspendierung Pilnaceks als Sektionschef ortete FP-Mandatar Christian Hafenecker noch "sehr viele offene Fragen". Daher werde man nun mit den anderen Fraktionen sprechen, wie ein weiterer U-Ausschuss aussehen könnte, so Hafenecker, für den neben den Corona-Beschaffungen und dem Wirecard-Skandal freilich auch Postenschacher und Korruptionsvorwürfe mögliche "Ingredienzien" seien.
"Klüngelei und Käuflichkeit"
Zu Wort meldete sich am Freitag auch Verfassungsrechtler Heinz Mayer: Der Ibiza-Untersuchungsausschuss habe ein "erschreckendes Ausmaß an mangelnder Integrität, an Klüngelei und potentieller Käuflichkeit in der Politik offengelegt". Trotz "zahlreicher Vertuschungs- und Blockadeversuche" habe er gezeigt, wie wichtig dieses Instrument der parlamentarischen Kontrolle ist. Als Konsequenzen müsste nun die Unabhängigkeit der Justiz, der Medien und der Parlamentarismus gestärkt werden.