Elternvertreter, Schüler und Lehrer haben lange einen Fahrplan für den Herbst gefordert, nun ist er da. Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) stellte am Mittwochvormittag den Plan vor, der sich auf vier Punkte stützt.
Zentrales Element sind wöchentliche PCR-Tests für alle Schülerinnen und Schüler. In Zusammenarbeit mit der Post werden die Tests ins nächstgelegene Labor geliefert. Zusätzlich müssen sich Schüler zwei Mal pro Woche wie im vergangenen Schuljahr mit einem Antigen-Test testen. Virologin Dorothee von Laer hält diese Vorgehensweise für sinnvoll: "Antigentests zeigen nämlich sehr gut, ob jemand infektiös ist." Geimpfte Schüler müssen sich nach einer Sicherheitsphase am Schulstart nicht mehr testen. Sollte es die regionale Infektionslage erlauben oder erfordern, kann das Testprogramm in einzelnen Bezirken oder Schulen zurückgefahren bzw. ausgebaut werden. Genaue Schwellenwerte werden aber noch ausgearbeitet.
Abwassermonitoring und Luftreiniger
Der zweite Punkt im Plan ist ein gezieltes Abwassermonitoring. 116 Kläranlagen liefern regelmäßig Proben ab, damit können rund 75 Prozent aller Schüler abgedeckt werden, so Faßmann. Das sei ein "perfektes System für eine Früherkennung der Infektionslage", sagte Mikrobiologe Norbert Kreuzinger von der TU Wien. Der Vorteil der Abwasseranalyse sei zudem, dass die Lage abseits der individuellen Tests und Inzidenzen beurteilt werden kann. So sind die Kläranlagen Frühwarn- und Entwarnsystem zugleich. Neben der Abwasseranalyse soll eine Stichprobe von 300 Schulen die Gurgelstudie aus dem Vorjahr fortsetzen. Zeigen diese eine ansteigendes Risiko, werden Einzeltestungen bei allen Schülerinnen und Schülern durchgeführt.
Vielfach gefordert wurden Luftreinigungsgeräte in Klassenzimmern. Diese würden erwiesenermaßen die Viruslast im Raum senken, so der Bildungsminister. Derzeit würden die Schulerhalter ihre Schulen auf Räume überprüfen, die schlecht gelüftet werden können oder in denen die Aerosolausbreitung stärker ist - wie etwa Musikzimmer, in denen gesungen wird. Für diese Räume fördert der Bund die Anschaffung von Luftreinigungsgeräten mit einem Volumen von rund 10 Millionen Euro.
Abschließend erhofft sich Minister Faßmann auch eine hohe Durchimpfungsrate in jenen Schulstufen, für die bereits ein Impfstoff zugelassen ist. Diverse Aktionen der Länder bei Vereinen oder vor Discos begrüßt Faßmann daher sehr. 30 Impfbusse werden auch die Sommerschulen im Land ansteuern.
Sicherheitsphase zu Schulbeginn
Bereits bekannt war, dass die ersten beiden Wochen des Schuljahres als Sicherheitsphase geführt werden. Dann werden alle Schüler drei Mal in der Woche getestet, egal ob geimpft oder nicht. Außerdem müssen die Schüler in diesen beiden Wochen in den Schulen Masken tragen - am Platz können sie dann abgenommen werden. Eine Maskenpflicht nach dieser Sicherheitsphase soll nach der regionalen Infektionslage verordnet werden.
Dass allgemeine Ziel ist laut Faßmann, dauerhaften Präsenzunterricht sicherstellen zu können. Sollten Cluster in Schulen auftreten, ist aber nicht ausgeschlossen, dass einzelne Klassen oder Schulen geschlossen werden, so Faßmann. Die allgemeine Infektionslage sei aber nicht mehr allein ander Sieben-Tage-Inzidenz zu bewerten. Virologin von Laer sagte, man könne sich eine höhere Inzidenz im Herbst leisten, weil eine solche nicht mehr gleichbedeutend mit einer höheren Sterblichkeit sei.
Für den obersten Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG) enthält der Vier-Punkte-Plan "jene Dinge, die notwendig sind für einen guten Schulstart". Handlungsbedarf sieht Kimberger noch bei der Abstimmung zwischen Bildungs- und Gesundheitsressort etwa bei der Frage der Quarantäneregeln. "Da haben wir im vergangenen Schuljahr teilweise Chaotisches erlebt." Auch Fragen wie Grenzwerte, ab denen Masken- oder Testpflicht eingeführt oder verschärft wird, seien noch offen.
Vielfach kritisch sieht der Bundeselternverband (BEV) die Vorgabe, dass Geimpfte sich nach der zweiwöchigen Sicherheitsphase zu Schulbeginn nicht testen müssen. Immerhin sei eine Übertragung auch durch Geimpfte möglich, damit schaffe man einen "Unsicherheitsfaktor", weil man Cluster übersehen könnte, sagt Christoph Drexler. Die Impfbusse sehen die Elternvertreter als organisatorische Erleichterung positiv, die Entscheidung für eine Impfung müsse allerdings freiwillig bleiben.
Die Bundesjugendvertretung (BJV) sieht die Impfkampagne schon in der Sommerschule als wichtigen Schritt für die Sicherheit der Bildungseinrichtungen. Allerdings sei es unerlässlich, den jungen Menschen jugendgerechte Informationen für eine fundierte Entscheidung zur Verfügung zu stellen. Zusätzlich fordern die Jugendvertreter präventive Vorkehrungen wie zusätzliches Personal und externe Räumlichkeiten, falls Schulklassen wieder aufgeteilt werden.
Opposition: Präsenzunterricht "Grundvoraussetzung"
Die Opposition ist von Faßmanns Plänen nicht voll überzeugt. Präsenzunterricht sei "absolute Grundvoraussetzung", sagt etwa Neos-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre. Dass es nach für die Zeit nach der zweiwöchigen Sicherheitsphase keine konkreten Pläne für bestimmte Szenarien gebe, sei zu wenig, kritisiert Künsberg Sarre und fordert einen lanfristigen Plan. Eine "Garantieerklärung für offene Schulen" fordert auch der Bildungssprecher der Wiener FPÖ, Maximilian Krauss. Sein Pendant auf Bundesebene, Hermann Brückl, kritisiert die geplanten Privilegien für Geimpfte als "Spaltung der Gesellschaft".
Die SPÖ sieht im Plan durchaus gute Ansätze, Bildungssprecherin Petra Vorderwinkler gibt dem Fahrplan aber nur ein "Genügend". Die Pläne würden nur halbherzig umgesetzt werden. "Es stünden ganze Ferraris für unsere Kinder zur Verfügung, wir könnten sie uns leisten, kaufen aber immer nur einen Reifen und hoffen, dass dieser dennoch ins Ziel rollt", sagt Vorderwinkler. Christian Moser, Geschäftsführer von SOS kinderdorf wünscht sich weitere Unterstützung, "um die enormen Versäumnisse dieser Zeit aufzuarbeiten und langfristige Folgeschäden zu verhindern", so Moser in einer Aussendung. Das Problem der psychischen Belastung würde nach wie vor unterschätzt werden. In eine ähnliche Kerbe schlägt auch die Arbeiterkammer. Es sei nach wie vor offen, "wie Corona-Bildungslücken geschlossen werden sollen", schreibt Gabriele Schmid, Leiterin der AK-Bildungsabteilung.
Peter Schöggl