Mehr als 20 Millionen Euro in Form von Bargeld, Immobilien und Konten wurden Mitte November 2020 sichergestellt. Die Razzia im Umfeld der Muslimbruderschaft - nach mehr als einem Jahr Ermittlungsarbeit - bezeichnete Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) damals als Schritt gegen Terrorfinanzierung.
Sie war aber rechtswidrig. Wie "Die Presse" am Dienstag berichtet, hat das Oberlandesgericht Graz (OLG) zehn Beschwerden gegen die Razzia stattgegeben und sie in dieser Form für rechtswidrig erklärt. Es habe nicht genügend Verdacht für den abgeleiteten Durchsuchungszweck gegeben, zitiert "Die Presse" aus dem 33-seitigen Schreiben des Gerichts.
Dünne Verdachtsmomente erhärteten sich nicht
Die Verdachtsmomente in Richtung Terrorfinanzierung seien ohnehin nicht besonders dicht gewesen, nach tausenden Stunden Observierung und auch nach der Hausdurchsuchung erhärteten sich diese nicht. Ein Gutachten, auf das sich der Hausdurchsuchungsbefehl stützte, bezeichnet das OLG Graz teilweise als "Mutmaßungen und Spekulationen".
Im Schreiben bezeichnet das Gericht die Muslimbruderschaft auch dezidiert nicht als Terrororganisation. Im Vergleich etwa mit dem sogenannten "Islamischen Staat" trage die Muslimbruderschaft "nicht die Verdachtsannahme", es handle sich um eine homogene Gruppe, sodass jedes Mitglied gleich ein "Mitglied einer terroristischen Vereinigung ist."
Bei der Staatsanwaltschaft Graz ist die Entscheidung des OLG laut Sprecher Hansjörg Bacher noch nicht offiziell eingelangt, weshalb man den Inhalt noch nicht im Detail überprüft habe. Es handle sich aber um "verschiedene Rechtsauffassungen, die zu akzeptieren sind". Inhaltlich wolle man das nicht weiter kommentieren. Er betonte, dass die vorliegende Entscheidung aufgrund der Verdachtslage vor den Hausdurchsuchungen entstanden sei. Das ändere nun nichts an den laufenden weiteren Ermittlungen, die jedenfalls weitergeführt würden.
Ob die bei den Hausdurchsuchungen sichergestellten Informationen nun weiterverwendet werden dürfen, müsste ein gesondertes Verfahren klären, heißt es auf Nachfrage vom OLG Graz. Die aktuelle Entscheidung bedeute eben nur, dass die Hausdurchsuchungen rechtswidrig waren. Solange das nicht geschieht, dürfte alles, was bei den Durchsuchungen gefunden wurde, auch verwendet werden. Vieles davon sei auch schon ausgewertet, sagt Anwalt Norbert Wess, der eine der Beschuldigten vertritt. Im Fall seiner Mandantin rechnet er aber mit einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens, die er schon länger beantragt hat, von der Staatsanwaltschaft aber in vier Zeilen negativ bewertet wurde. Es habe sich jedoch herausgestellt, dass zumindest bei seiner Mandantin nichts an der Vorwürfen dran ist, so Wess.
Hausdurchsuchungen in der Steiermark, Kärnten, NÖ und Wien
Eine Woche nach dem Anschlag in Wien hatten im November 2020 Razzien gegen Vereine mit möglicher Verbindung zur Muslimbruderschaft und der Hamas stattgefunden. In der Steiermark, Kärnten, Niederösterreich und Wien gab es Dutzende Hausdurchsuchungen und Ermittlungen gegen 70 Beschuldigte. Bei der Operation "Luxor" ging es um den Verdacht der Terrorfinanzierung und der Bildung einer Terrororganisation.
Die ursprünglich unter dem Codenamen "Ramses" geplante Operation war bereits seit längerer Zeit vorbereitet worden. Bei den Razzien standen Wohnungen, Wohnhäuser, Geschäfts- und Vereinslokale im Visier der Ermittler. Die Ermittlungen liefen seit der zweiten Hälfte des Jahres 2019. Die Vorwürfe lauteten auf Verdacht der Terrorismusfinanzierung, Bildung einer terroristischen bzw. kriminellen Vereinigung sowie der staatsfeindlichen Verbindung oder deren Unterstützung sowie auf Geldwäsche. Es war umfassendes Beweismaterial sichergestellt und Vermögenswerte "in Millionenhöhe" eingefroren worden.
Seitens der Staatsanwaltschaft Graz hieß es damals, dass sich die Maßnahmen nicht gegen Muslime oder gegen den Islam richte. Die Muslimbruderschaft sei keine Religionsgemeinschaft, sondern stehe für religiös motivierten, politischen Extremismus. Seit November 2020 wurden "massenhaft Datenträger" gesichtet.