Grundsätzlich empfiehlt sie im APA-Sommerinterview den Parlamentariern, künftig ein besseres Klima in solchen Gremien herzustellen und U-Ausschüsse nicht parallel zu Strafverfahren durchzuführen. Was das Informationsfreiheitsgesetz angeht, will Edtstadler "alles noch einmal durchdenken".
Die Begutachtung zum Ende des Amtsgeheimnisses war schon vor etlichen Wochen abgelaufen. Dass bis jetzt kein Gesetzesentwurf den Ministerrat passiert hat, begründete die Kanzleramtsministerin damit, dass man sich Zeit nehmen wolle, die Einwände zu berücksichtigen. Gemeinden, Länder aber auch Ministerien hatten vor einer Bürokratiewelle gewarnt. Entsprechende Bedenken nehme sie "sehr ernst", versicherte Edtstadler. Ihr gehe es darum, die Verwaltung "funktionsfähig" zu halten und trotzdem "Vorteile in Richtung mehr Transparenz sicherzustellen".
Ob es hier noch Einschränkungen geben könnte oder die Beantwortungsfrist ausgedehnt werden könnte, ließ die Ressortchefin offen. Gleiches gilt für die Einwände des Verfassungsgerichtshofs gegen jene Bestimmung, die Verfassungsrichtern die Veröffentlichung einer abweichenden Meinung ermöglichen würde. Hier seien die Argumente in der Begutachtung von beiden Seiten im wesentlichen die selben gewesen wie schon im Vorfeld: "Letztlich wird es eine politische Abwägung sein, ob man es macht."
Auch "keine kleine Reform" ist für die Verfassungsministerin jene zum neuen Bundesstaatsanwalt als neue Weisungsspitze. Denn für Edtstadler braucht es damit verbunden ein ganzes Paket, das etwa die Beschuldigtenrechte stärkt und eine höhere Vergütung bringt, wenn man frei gesprochen wird oder das Verfahren eingestellt wird. Zur Art des Bestellung des Bundesstaatsanwalts hat sie zwar schon eine Meinung, die will sie aber nicht öffentlich kundtun.
Dafür gilt es für Edtstadler, die Polarisierung und Politisierung rund um die Justiz, die sie mit großer Sorge sehe, wieder in Griff zu bekommen. Dabei spricht sie auch den von allen Seiten mit großer Emotion bespielten U-Ausschuss an. Aus ihrer Sicht wäre eine Änderung der Verfahrensordnung ratsam, wobei dies aber Aufgabe des Parlaments sei. Den Abgeordneten empfiehlt sie dabei, sich selbstkritisch einer Eigendiskussion zu stellen. NEOS-Justzizsprecher Johannes Margreiter nannte das in einer Aussendung eine Dreistigkeit: "Wenn jemand die Justiz politisiert und im Würgegriff hat, unabhängige Ermittlungen mit permanenten Störfeuern behindert und mit ständigen substanzlosen Angriffen zu diskreditieren versucht, dann ist das die ÖVP und das türkise Establishment rund um Kanzler Sebastian Kurz."
Dem Argument, dass ein Verzicht auf parallele Untersuchung von Justiz und Parlament, einen U-Ausschuss auf den St. Nimmerleinstag verschieben würde, entgegnet sie damit, dass mit der anstehenden Justizreform die Verfahren auch schneller werden sollen. Der freiheitliche Fraktionschef im U-Ausschuss Christian Hafenecker nannte das in einer Aussendung "völlig daneben". Kanzler Sebastian Kurz würde vermutlich nicht einmal zurücktreten, wenn er verurteilt werde. Daher brauche es parallel parlamentarische Aufklärung zur politischen Aufklärung.
Wenn ein Ausschuss wie ein "inquisitionelles Verfahren" geführt werde, tue das weder der parlamentarischen Kontrolle noch der Justiz gut, meint die Ministerin. Befremdlich ist für Edtstadler, wenn - wie jüngst durch die NEOS geschehen - klassifizierte Akten sinngemäß mit dem Argument an die Öffentlichkeit gespielt werden, dass man selber entscheide, was nach außen gelangen müsse. So etwas sei "außerhalb der Würde eines Rechtsstaats". Damit werde die Geheimhaltung ad absurdum geführt. Höhere Bußen erscheinen Edtstadler in solchen Fällen angemessen: "Wenn es keine Sanktionen gibt, dann ist es meistens so, dass man nicht geneigt ist sich dem zu unterwerfen."
Nicht nur beim U-Ausschuss ist man bei der ÖVP nicht immer eines Sinnes mit dem Koalitionspartner. Das gilt auch für eine allfällig Sicherungshaft für straffällig gewordene Asylwerber, bis sie abgeschoben werden können. Diese Diskussion sieht sie auch angesichts des brutalen Tods einer 13-Jährigen in Wien noch nicht als abgeschlossen an.
Was Corona angeht, betont Edtstadler, dass es zu keiner allgemeinen Impfpflicht kommen werde: "Unser Zugang war immer das positiv Motivieren." Wenn eine Impfpflicht in einzelnen Bereichen (wie bereits in Gesundheits- und Bildungseinrichtungen von Ländern umgesetzt, Anm.) verordnet wird, ist das für die Verfassungsministerin rechtlich möglich. Schon bisher habe es in manchen Bereichen eine Impferfordernis gegen andere Krankheiten gegeben.