Bundespräsident Alexander Van der Bellen versteht nicht, warum Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) bei der Aktenlieferung an den Ibiza-Untersuchungsausschuss so "zögerlich" agiert hat. "Ich verstehe nicht ganz, warum ich gezwungen war, über den Umweg des Auftrags des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) eine Exekution durchzuführen", sagte das Staatsoberhaupt im Interview mit den "Vorarlberger Nachrichten" (Mittwoch-Ausgabe).
Das hätte man auch mit weniger Aufsehen und dem gleichen Ergebnis durchführen können, so Van der Bellen. Gleichzeitig mahnte der Bundespräsident neuerlich Respekt vor der Justiz ein. "Sie muss ungehindert arbeiten können." Lob gab es hingegen für Justizministerin Alma Zadic (Grüne) für die Trennung der Strafrechts- und Legistik-Sektion, was ihr "innerkoalitionär erhebliche Widerstände" eingebracht habe.
"Kein Kopfzerbrechen"
Dass die Akten, die zuletzt vom Straflandesgericht geliefert wurden, offenbar nicht ganz identisch sind mit dem, was Blümel zuvor an den U-Ausschuss geliefert hatte, bereitet Van der Bellen gegenüber den "Salzburger Nachrichten" (Mittwoch-Ausgabe) kein Kopfzerbrechen: "Unter Juristen gehen die Auffassungen darüber, was richtig ist und was nicht, oft auseinander." Das von ihm beauftragte Wiener Straflandesgericht habe jedenfalls "ausgezeichnete Arbeit" geleistet.
Ob die Verfahrensordnung von U-Ausschüssen geändert werden soll, sei Sache des Parlaments. Unbehagen bereitet Van der Bellen aber, dass der Verfassungsgerichtshof als Schiedsrichter in politischen Fragen angerufen wird. In der Frage, ob künftig ein Richter U-Ausschüsse leiten solle, gab Van der Bellen zu bedenken, dass diese keine Gerichte, sondern parlamentarische, also politische Gremien seien.
Kurz-Rücktritt? "Nicht spekulieren"
Dass Parteien immer öfter mit Klagen und Anzeigen gegeneinander vorgehen, sei "keine gute Entwicklung". Die Frage, ob Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei einer Anklage wegen Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss zurücktreten müsse, beantwortete Van der Bellen nicht: "Ich habe es mir zur Regel gemacht, über hypothetische Fragen nicht öffentlich zu spekulieren."
Genauso wenig wollte er vorerst die Frage nach seiner Kandidatur für eine zweite Amtszeit beantworten. Bis zur Wahl im Oktober 2022 vergehe noch viel Zeit. "Natürlich freut mich jede positive Umfrage über meine Amtsführung. Aber ich sehe keine Notwendigkeit, jetzt schon über den Herbst 2022 nachzudenken", so Van der Bellen. Er sei als Außenseiter ins Amt gekommen und habe "so viele und teils sogar kumulierende Krisen" auf sich zukommen sehen, wie kaum jemand zuvor. "Aber alles in allem haben wir das alle gemeinsam ganz gut über die Bühne gebracht. Und die Diskussion 'Brauchen wir überhaupt einen Bundespräsidenten?' ist erledigt. In manchen Situationen braucht es ihn tatsächlich."