Die Corona-Lage in Österreich ist angesichts des Vormarsches der besonders tückischen Delta-Variante dramatischer, als es die aktuellen Zahlen erscheinen lassen. Das Gesundheitsministerium meldete am Freitag 341 Neuinfektionen und eine Inzidenz von 18,8 – bescheidende Werte im Vergleich zum November letzten Jahres mit mehr 9300 Fällen bei einer Inzidenz von 700.
Höchster Wert seit 31. Oktober
Kopfzerbrechen bereitet den Experten allerdings die gewaltige Dynamik, die in erster Linie auf die Nachtgastronomie, auf Reiserückkehrer sowie das Faktum, dass junge Menschen nur in einem bescheidenen Ausmaß geimpft sind, zurückzuführen sind. So hat der Reproduktionsfaktor mit einem Wert von 1,33 heute den höchsten Wert seit dem 31. Oktober 2020 erreicht. Der effektive Reproduktionsfaktor gibt an, wie viele Menschen ein Infizierter ansteckt. Jeder Wert über eins ist besorgniserregend.
Reisewarnung ab August?
Nach Informationen der Kleinen Zeitung schrillten bereits in der Sitzung der Corona-Taskforce am Donnerstag die Alarmglocken. Sollte der Trend anhalten, so die Berechnung von Experten im Umfeld von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein, würde Österreich je nach Entwicklung zwischen dem 1. August und dem 8. August eine 7-Tage-Inzidenz von 75 erreichen (und ein 14-Tage-Inzidenz von 150) – mit der fatalen Nebenwirkung, dass Österreich vom deutschen Robert-Koch-Instituts spätestens zu diesem Zeitpunkt als Risikogebiet ausgewiesen worden wäre. So gesehen bedurfte es keiner großen Überredungskunst, Tourismusministerin Elisabeth Köstinger von der Dringlichkeit gewisser Maßnahmen (Verschärfungen beim grünen Pass, der Nachtgastronomie) zu überzeugen - bekanntlich steht die ÖVP Verschärfungen - noch - skeptisch gegenüber.
Hiobsbotschaft für Sommertourismus
Bei einer Reisewarnung rät das deutsche Außenministerium von "nicht notwendigen, touristischen Reisen" in das betroffene Land ab. In weiterer Folge wären Reisewarnungen und Quarantäneverpflichtungen – für Österreicher, die ins Ausland reisen, bzw. Touristen, die aus Österreich heimkehren - unausweichlich gewesen. Mit dem ausländischen Sommertourismus wäre es in Österreich wohl vorbei gewesen. Derzeit weist das RKI Länder wie Spanien, die Niederlande, Griechenland, Dänemark als Risikogebiete, Portugal, Großbritannien und Zypern als Hochinzidenzgebiete aus.
Dass die aktuelle Welle in keiner Weise mit den Wellen der letzten eineinhalb Jahre vergleichbar ist, steht auf einem anderen Blatt. Zu mehr als 70 Prozent sind Jugendliche von den Neuinfektionen betroffen, die im Regelfall leicht erkranken und anders als bisher nicht das Spitalswesen belasten.