Beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gibt es ein Punktesystem: 0,6 Punkte bekommt, wer einen positiven Asylbescheid vergibt. Einen ganzen Punkt, wer einen negativen Bescheid vergibt. Negative Entscheidungen werden in diesem System also höher bewertet, als positive. Das brachte der Bericht der Kindeswohlkommission ans Licht, der am Dienstag veröffentlicht wurde.
Im Innenministerium erklärt man das als reine Controlling-Maßnahme, die den zehn Mal höheren Arbeitsaufwand von positiven Bescheiden abbildet. Die Kindeswohlkommission schlussfolgert trotzdem: „Es fördert eine Tendenz zugunsten negativer Entscheidungen.“ Es ist einer von vielen Kritikpunkten.
Die Kindeswohlkommission wurde im Februar von Vizekanzler Werner Kogler ins Leben gerufen, nachdem die Abschiebung von gut integrierten Mädchen, die teils in Österreich geboren waren, für Unverständnis und Koalitionszwist sorgte. Unter der Leitung der ehemaligen OGH-Präsidentin und Neos-Abgeordneten Irmgard Griss evaluierten Expertinnen und Experten das österreichische Asyl- und Fremdenrecht unter besonderer Berücksichtigung des Kindeswohles.
Sie befundeten Gesetze und Vollzugspraxis und verglichen die Situation mit der anderer Länder. Das Ergebnis, einen 450-Seiten starken Bericht, stellten sie am Dienstag vor. Er stellt Österreich kein gutes Zeugnis aus.
Den Kinderrechten, die in Österreich sogar in der Verfassung festgeschrieben sind, werde man bei asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren „nur unzureichend gerecht“, so Griss. In den Gesetzestexten seien die Kinderrechte zwar umfassend abgesichert, in der Praxis komme davon aber aber wenig an. Die Kommission kritisiert auch einen „Fleckerlteppich“ beim Schutz von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. So sei in einigen Bundesländern die Kinder- und Jugendfürsorge sofort obsorgeberechtigt. In anderen, wie etwa in Niederösterreich oder im Burgenland, hätten minderjährige Flüchtlinge häufig längere Zeit keine Obsorgeberechtigten.
Beirat des Innenministeriums legt eigenen Bericht vor
Die Kindeswohlkommission empfiehlt außerdem eine Institution, die sich um das Monitoring des Kindeswohls in der Vollziehung kümmert. Sowohl für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als auch für den Verwaltungsgerichtshof brauche es klare Richtlinien, nach welchen Kriterien das Kindeswohl geprüft werden muss. Derzeit gleiche es einer Lotterie, auf welchen Beamten man trifft, so Griss. Je nach zuständigem Richter oder Referentin können Fälle mit ähnlichen Sachverhalten komplett unterschiedlich entschieden werden.
Ein mit Juristen besetzter Beirat des Innenministeriums legte indes am Dienstag ebenfalls einen eigenen Bericht zum Thema vor. Das Kindeswohl wird darin anders gewichtet: Einen gesonderten völkerrechtlichen, internationalen Schutz auslösenden Tatbestand „Kindeswohl“ gebe es nicht, heißt es darin. In anderen Punkten werden im Beirats-Bericht Empfehlungen der Kommissionen aufgegriffen: So wird etwa angekündigt, das Kindeswohl künftig als eigenständigen Prüfungstatbestand in Entscheidungen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl zu etablieren.
Positiv bewerte Justizministerin Alma Zadic (Grüne) den Bericht: „Irmgard Griss hat in ihrer Präsentation deutlich gemacht, dass hier vor allem im Vollzug große Mängel bestehen“ Nicht nur im Justizministerium, auch in anderen Ministerien herrsche Verbesserungsbedarf. Das UN-Flüchtlingshochkommissariat, Caritas und Diakonie forderten eine rasche Umsetzung der Empfehlungen.