Sie wollen nichts zur Parteivorsitzenden sagen. Wandeln Sie auf den Spuren der bayrischen CSU?
DOSKOZIL: Wir haben eine Situation in der Partei, die nicht einfach ist. Die Parteivorsitzende ist von 75 Prozent der Delegierten gewählt worden. Das ist nicht erfreulich. Jetzt wird versucht, jene schuldig zu machen, die die Parteivorsitzende nicht gewählt haben. Das ist nicht in Ordnung. Es kann doch nicht sein, dass man immer die Meinungsfreiheit in den Vordergrund schiebt, wenn eine Wahl aber anders als erwartet ausgeht, es dann auch nicht passt. Wichtiger ist jetzt, zu reflektieren, wie können wir wieder erfolgreich sein, was müssen die wichtigsten Parameter sein – das gehört jetzt intern diskutiert und nicht extern.
Was muss getan werden?
In politischen Bewegungen gibt es immer ein auf und ab. Ziel muss es sein, die Sozialdemokratie auf ein Ziel zu fokussieren, wieder zu einen. Das ist nicht leicht. Das hat die ÖVP unter Mitterlehner auch nicht geschafft. In der Phase befinden wir uns.
War die SPÖ nicht zu lange ein Kanzlerwahlverein, wo alle Differenzen zugedeckt worden sind, die in der jetzigen Krisensituation aufbrechen?
Es stimmt, dass wir uns zu wenig mit der Frage befassen: Was habe ich den Leuten versprochen? Was erwarten sich die Leute von der SPÖ? Man hat eher darauf geschaut, dass man die Ämter behält. Jetzt über Koalitionsmöglichkeiten zu spekulieren, ist genauso falsch. Es geht um Inhalte.
Um welche Inhalte abseits der Migrationsfrage?
Ich finde die Zustimmung zum Ökostromgesetz sehr unglücklich. Ich kenne noch nicht alle Details, aber eines scheint mir problematisch zu sein: Von der Entwicklung im Wasserstoffbereich profitieren ein paar Großkonzerne, bezahlt wird es aber von der großen Masse der Stromkunden.
Haben die burgenländischen Nationalräte mitgestimmt?
Das ist ja nicht die Diskussion. Mir geht es grundsätzlich darum, ob die SPÖ als die Partei erkennbar wird, die die Interessen der Bevölkerung vertritt – auch bei Zukunftsfragen wie der Finanzierung der Energiewende. Und wenn das so ist - ich sage es mit Vorbehalt -, dass die Entwicklung, die Forschung im Bereich des Wasserstoffs die breite Masse finanziert, aber den Nutzen haben einige wenige Konzerne, dann wäre das falsch.
Ist Ihre Positionierung in der Migrationsfrage in der SPÖ mehrheitsfähig?
Meine Position ist ganz sicher mehrheitsfähig. Man muss bei der Breite der Partei nicht immer einer Meinung sein, sonst wären wir als politische Bewegung falsch gewickelt. Nehmen Sie den aktuellen Fall des getöteten Mädchens her: Weil was schiefgelaufen ist, versucht die Regierung, wieder einmal die Sicherungshaft neu zu erfinden. Man sollte lieber daran erinnern, was uns die Regierung versprochen hat: dass die Balkanroute zu ist, dass es Asylzentren außerhalb Europas gibt. Jetzt wird so getan, als ob die Justiz schuld ist.
Beim Bundesverwaltungsgericht liegen die Fälle Jahre herum?
Ich erinnere nur, dass das Bundesverwaltungsgericht aus einer Behörde entstanden ist, die im Innenministerium angesiedelt war, dann ins Kanzleramt gewandert ist und 2018 ins Justizministerium übersiedelt ist. Die ÖVP betreibt jetzt Kindesweglegung.
Wären Sie Bundeskanzler, was würden Sie konkret im Migrations- und Asylbereich tun?
Ich würde das Asylsystem komplett umstellen. Asylverfahren soll es für Österreich nur noch in Botschaften geben, solange auf EU-Ebene keine Einigung auf Asylverfahrenszentren außerhalb Europas möglich ist. Jedenfalls sollten keine Asylverfahren mehr in Österreich stattfinden. Es wird jetzt wieder rhetorisch über Verschärfungen diskutiert, aber wie unser Asyl- und Migrationswesen aufgebaut ist, interessiert niemand. Ich vernehme auch keinen Aufschrei, wenn die Wirtschaft auf Basis der Mängelberufsliste billige Arbeitskräfte aus Serbien, Weißrussland und anderen Ländern holt und so die Zuwanderung fördert.
Wenn ein Afghane in Nickelsdorf um Asyl ansucht, kann man ihn doch nicht nach Kabul zurückschicken?
Wieso nicht? Er kann es auch an der Botschaft in Budapest machen. Ich bringe ihn sogar dort hin. Wenn ein Asylwerber in Tirol aufgegriffen wird, kann er auch nicht sagen, dass er in Tirol bleiben will. Er wird sogar inhaftiert und nach Traiskirchen gebracht
Dann gibt es vor den Botschaften aber lange Schlangen?
Ja, wenn man die Wirtschaftsflüchtlinge dazuzählt. Auch hier braucht es einen Systembruch. Statt benötigte Arbeitskräfte auf Basis der Mängelberufsliste aus „Drittstaaten“ zu holen, könnte man sie auch aus Krisengebieten holen, wo es etwa wegen des Klimawandels Probleme gibt. Wenn man sie ausbildet, unterstützt man sie die Region auf diese Weise humanitär.
Was tun mit den vier Afghanen, sollten sie schuldig sein?
Sie sollten dann ihre Strafhaft in Stein absitzen. Aber man muss rund um diesen schrecklichen Fall jetzt das Versagen der Politik herausarbeiten. Kurz hat mit seiner Positionierung in der Migrationsfrage Wahlen gewonnen, aber er hat kein einziges Versprechen eingelöst. Ich lege die Hand ins Feuer, dass alle vier über die Balkanroute gekommen sind.
Die Balkanroute wurde später geschlossen?
Alle anderen Afghanen, die in den letzten Jahren gekommen sind, sind auch über die Balkanroute zu ändern. Die Bevölkerung wird von der Politik am Schmäh gehalten. Die Politik hat uns was versprochen, das ist aber in die Hose gegangen. Der Kanzler könnte Größe zeigen und sagen: Ich habe nicht die Balkanroute geschlossen. Ich räume ein, dass sich die SPÖ bei dem Thema weggeduckt hat.
Wenn gewählt wird, wer soll Spitzenkandidatin, Spitzenkandidat der SPÖ werden?
Dazu werde ich sicherlich nichts sagen. Wenn ich was sage, heißt es, ich bin Querulant. Wenn ich nichts sage, heißt es, ich bringe mich nicht ein. Das wird alles von der Dynamik abhängig sein. Wenn die Partei gewinnen und den Kanzler stellen will, wird sie wissen, wenn sie ins Rennen schickt. Mehr sage ich nicht dazu.
Braucht die SPÖ einen Wunderwuzzi, eine Wunderwuzzi, wenn ich den Begriff so gendern darf?
Jede Partei braucht Persönlichkeiten, die von den Leuten gewählt werden. Ohne Meinl-Reisinger wären die Neos gar nicht im Parlament. Aus meiner Sicht ist jetzt die Unzeit, Personaldiskussionen zu führen, schon gar nicht öffentlich.
Rechnen Sie mit Neuwahlen?
Nein, es sei denn, der Kanzler wird verurteilt und tritt zurück. Sonst wüsste ich nicht, wer von Neuwahlen profitieren würde.