Die drei Oppositionsfraktionen SPÖ, FPÖ und NEOS haben am Montag ihren Minderheitsbericht zum "kleinen U-Ausschuss" zu den Coronabeschaffungen des Bundes vorgelegt. Das Urteil fällt harsch aus, vor allem was den Kauf der Impfstoffe betrifft. Gefordert wird - vor allem wegen des Agierens von Bundeskanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel (beide ÖVP) bei ihren Aussagen - auch für diesen Unterausschuss die Wahrheitspflicht für Auskunftspersonen.
"Die Regierung hat die Pandemiebekämpfung nicht wirklich ernst genommen", sagte SPÖ-Fraktionsführerin Karin Greiner in einer gemeinsamen Pressekonferenz der Opposition: "Mehrmals Fakten, die aus den Akten hervorgehen, zu leugnen und die Bevölkerung anzulügen, ist wirklich ungehörig und für uns als Opposition nicht akzeptabel." Ähnlich sah dies Wolfgang Zanger (FPÖ), der das Vorgehen der türkisen Regierungsmitglieder als "arrogant, präpotent und abgehoben" wertete und die ÖVP als "die Corona-Korruptionspartei" bezeichnete.
NEOS-Abgeordneter Douglas Hoyos hob die erfolgreiche Kontrollarbeit des Unterausschusses hervor. Ziel sei es gewesen, aus dieser Krise zu lernen. Lediglich die ÖVP sei daran nicht interessiert gewesen. Der türkise Mandatar Andreas Hanger sei mit seinem "Geschwurbel" einzig darauf aus gewesen, das "Establishment der Türkisen" zu schützen.
Für ÖVP "alles in Ordnung"
Der Angesprochene meldete sich in einer Aussendung zu Wort und befand tatsächlich alles in bester Ordnung. Der Unterausschuss habe "einwandfreie und professionelle Corona-Beschaffungen" bestätigt. Wieder einmal habe es sich gezeigt, dass es der Opposition nur um Skandalisierung gehe, meinte Hanger.
Der Minderheitenbericht zum Unterausschuss des Rechnungshofausschusses fokussiert unter anderem auf die Impfstoffbeschaffung des Bundes. Die Opposition sieht hier das "Spardiktat", dass das ÖVP-geführte Finanzministerium dem grünen Gesundheitsressort auferlegt habe, als Kardinalfehler. "Aus den übermittelten Unterlagen geht hervor, dass das Gesundheitsministerium ursprünglich 'mehr als 200 Mio. Euro' festschreiben wollte, sich am Ende das Finanzministerium mit einem Kostendeckel von 200 Mio. Euro durchsetzen konnte – mit immensen gesundheitlichen und finanziellen Schäden für die Bevölkerung und Wirtschaft", wie es im Bericht heißt.
Die Regierung habe nicht nur deswegen auf 1,5 Mio. Dosen von Johnson&Johnson verzichtet, sich beim teureren Impfstoff von Biontech/Pfizer zurückgehalten und in erster Linie auf den am billigsten angebotenen Impfstoff von AstraZeneca gesetzt. Die Impfstrategie der Bundesländer sei undurchsichtig gewesen, gerade die ältere Bevölkerung habe im Frühjahr 2021 sehnsüchtig auf einen Impftermin gewartet.
Ziele nach hinten verschoben
"Die von Bundeskanzler Sebastian Kurz versprochenen Ziele mussten bereits mehrmals nach hinten verschoben werden. Um vom eigenen Versagen abzulenken, erklärte Kanzler Kurz den Beamten Clemens Martin Auer aus dem Gesundheitsministerium für 'hauptschuldig', dabei hat Kurz das Thema Impfen selbst zur Chefsache erklärt", so die Oppositionssicht der Dinge. Die Opposititionsparteien verabschiedeten gestern ihren Abschlussbericht nach den Anhörungen im Rechnungshofausschuss, der als "kleiner U-Ausschuss" firmierte.
Um die zerstrittene Koalition nicht weiter zu gefährden, habe der damalige Gesundheitsminister Rudolf Anschober Auer die Agenden fürs Impfen entzogen. "Dabei ist es höchst unglaubwürdig, dass weder Bundesminister Anschober noch Bundeskanzler Kurz von alldem nichts wussten und ein Beamter im Alleingang Österreich in dieses Chaos gestürzt hat." Dann seien noch "Nebelgranaten wie Sputnik" gezündet worden.
Rotes Kreuz & Intransparenz
Kritik übt die Ausschuss-Minderheit auch an Intransparenz in der Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz, etwas was den Kauf Schutzmasken und Schutzausrüstung betrifft, aber auch bei der Arbeit im Krisenstab oder bei den Projekten "Schau auf dich, schau auf mich" bzw. "Österreich impft" und der "Corona-App".
Zudem hinterfragt die Opposition die Rolle der Bundesbeschaffungs- GmbH (BBG), etwa bei der "fragwürdigen Auftragsvergabe für Massentestungen". Ob der Ausnahmetatbestand der "Dringlichkeit" auch noch im Herbst und Winter 2020 gegeben war, ist aus Sicht der Opposition zu hinterfragen. Bei den Massentestungen habe es ebenfalls an Transparenz gefehlt.
Teure Vorgabe
Bezüglich Hygiene Austria schreiben SPÖ, FPÖ und NEOS vom "fragwürdigen Wunsch nach einem heimischen Hersteller" inmitten einer globalen Gesundheitskrise. Von wem genau dieser ausgegangen sei, bleibe unklar. "In jedem Fall wurde im Zuge des Ausschusses ersichtlich, dass die Republik rund neun Millionen Euro an Steuergeld einsparen konnte", nachdem die inoffizielle Vorgabe, einen heimischen Hersteller zu beauftragen, fallen gelassen und die Auftragsvergabe für rund die 18 Millionen FFP2-Schutzmasken der "Aktion 65+" doch ausgeschrieben worden sei.