Der Fall einer 13-Jährigen, die mutmaßlich von mehreren Afghanen missbraucht und getötet worden ist, sorgt in der türkis-grünen Regierung für Dissens. Während Innenminister Karl Nehammer (ÖVP)Änderungen der internationalen Bestimmungen fordert und auch über Abschiebungen ins Bürgerkriegsland Syrien nachdenkt, sieht Justizministerin Alma Zadic (Grüne) keinen Anlass für Verschärfungen der Gesetze.
"Das Asylrecht wurde in den letzten Jahren bereits mehrfach verschärft. Unsere Gesetze bieten genügend Möglichkeiten, man muss sie aber auch konsequent anwenden", sagt Zadic in der "Krone" am Sonntag. Und sie deutet mehrmals an, dass das Innenministerium die Möglichkeit gehabt hätte, "die aufschiebende Wirkung" der Beschwerden der vorbestraften Afghanen gegen ihre Abschiebung aufzuheben. Das Innenministerium beschwerte sich zuletzt darüber, dass man zwei der Verdächtigen trotz Vorstrafen nicht habe abschieben können, weil das Bundesverwaltungsgericht jahrelang nicht über deren Beschwerde gegen die Abschiebung entschieden habe.
"Schuld nicht hin- und herschieben"
Man solle jetzt nicht die Schuld hin- und herschieben, antwortet Zadic in der "Krone" auf diese Vorwürfe. "Es ist wichtig, den Fall jetzt rasch aufzuklären. Und alles zu tun, damit so etwas in Zukunft nicht mehr passieren kann. Ich habe in meinem Bereich beauftragt zu schauen, wo man Verbesserungen vornehmen kann. Aber auch das Innenministerium muss prüfen, wie in Zukunft Fehler vermieden werden können. Jeder muss in seinem Zuständigkeitsbereich Handlungen setzen."
BFA weist Darstellung von Zadic zurück
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies am Sonntag die Darstellung, es hätte die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erwirken können als falsch zurück. Eine aufschiebende Wirkung könne nur "gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz" erfolgen. Ein solcher Fall liege hier allerdings nicht vor. Hier gehe es um eine Aberkennung eines bereits erteilten Schutzstaus aufgrund von Straffälligkeit, also ein Aberkennungsverfahren und nicht um ein Zuerkennungsverfahren, erklärte das BFA in einer Aussendung.
Auch die Behauptung, das BFA hätte die Gerichtsentscheidung über die Beschwerde gegen die Abschiebung beschleunigen können, wies das Amt zurück. Das Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) wäre gesetzlich grundsätzlich zu einer Entscheidung binnen drei Monaten verpflichtet gewesen, ein Fristsetzungsantrag sei daher eigentlich nicht notwendig. Das Gericht sei über die Straffälligkeit informiert gewesen.
Nehammer kritisiert EU-Asylsystem
Innenminister Nehammer übt seinerseits im Interview mit der Tageszeitung "Österreich" (Sonntagsausgabe) Kritik am bestehenden Asylsystem: "Das EU-Asylsystem ist völlig falsch aufgesetzt. Die Genfer Flüchtlingskonvention und ihr ursprünglicher Gedanke wird lange nicht mehr gelebt. Denn die Flüchtlingskonvention besagt, dass Menschen Schutz vor Verfolgung bekommen sollen im nächstgelegenen sicheren Land, und nicht dass sich ein Asylwerber das Land, in dem er Leben will, aussuchen kann. Das ist ein grundlegender Fehler unserer EU-Gesetze, die uns dazu zwingen, jeden Asylwerber ins Land zu lassen, egal woher er kommt."
Das EU-Recht blockiere Abschiebungen, bevor das Gericht entschieden habe. "Wir sind gezwungen, die Entscheidungen abzuwarten, obwohl es sich um Straftäter handelt." Nehammer will sich nun für Änderungen der Asylgesetze auf EU-Ebene einsetzen: "Das EU-Asylsystem kann so nicht funktionieren. Straffällige müssen sofort außer Landes gebracht werden können - sie haben unser Gastrecht missbraucht und hier nichts verloren."
Nehammer lehnt Abschiebestopp ab
Scharf in die Kritik nimmt der Innenminister beim Thema Asyl auch den Grünen Koalitionspartner: "DieGrünen und die SPÖ haben vor Kurzem noch einen Abschiebestopp nach Afghanistan gefordert. Das wird es mit mir sicher nicht geben." Auf die Frage, ob Abschiebungen auch nach Syrien möglich sein sollen, sagt Nehammer: "Wir prüfen das permanent."
Die FPÖ warf in dem Fall der Bundesregierung und den Behörden Versagen vor. "Dieser sehr traurige Fall zeigt immer mehr, dass die Regierung nichts getan hat, um unsere Bevölkerung vor kriminellen Migranten zu schützen", sagte FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz in einer Aussendung. Er forderte Verschärfungen im Asyl- und Fremdenrecht, "insbesondere was die leichtere Beendigung von Asylverfahren krimineller Asylwerber und die Asyl-Aberkennungsverfahren betrifft".