Es fehle vor allem an Arbeitsschutz und angemessener Bezahlung der zum Großteil als Selbstständige tätigen Kräfte, beklagt Amnesty International (AI). In Wege einer eigenen Kampagne fordert AI nun "faire Arbeit" für die Betroffenen.
Nahezu alle Betreuungskräfte (98 Prozent) seien formal selbstständig tätig, sehr häufig handle es sich dabei um verschleierte Arbeitsverhältnisse, betonte Amnesty International Österreich bei der Vorlage eines Berichts zu diesem Thema am Donnerstag. Die Bedingungen würden neben der schlechten Bezahlung auch übermäßig lange Arbeitszeiten und fehlenden arbeitsrechtlichen Schutz verursachen, Höchstarbeitszeitgrenzen und Ruhezeiten würden nicht eingehalten.
Das rechtliche Rahmenwerk lasse in Österreich die "Ausbeutung" von 24-Stunden-Betreuungskräften zu, betonten AI-Österreich-Geschäftsführerin Annemarie Schlack und Teresa Hatzl, Advocacy & Research Officer bei Amnesty International. Bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen und beim Ausverhandeln des Honorars seien die formal Selbstständigen von den Vermittlungsagenturen oder den zu betreuenden Personen bzw. deren Familien abhängig. Das Menschenrecht auf angemessene Arbeitsbedingungen, fairen Lohn und soziale Sicherheit sei nicht garantiert, so Hatzl. Auch der Arbeitnehmerschutz greife nicht.
Gleichzeitig strich Hatzl die Bedeutung der 24-Stunden-Betreuung in Österreich hervor: "Wir wissen, dass die 24-Stunden-Betreuung eine wichtige Säule des Pflegesystems darstellt." Die Erhebungen der NGO zwischen Jänner 2020 und März 2021 inklusive Interviews mit betroffenen Betreuungskräften hätten aber die genannten Missstände aufgezeigt - die Politik sei daher nun gefordert, die Rahmenbedingungen zu verbessern.
"Stimmen sichtbar machen"
Daher startete AI am Donnerstag die Kampagne "24 Stunden - Unverzichtbar", mit dem Ziel, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die Stimmen der Betreuungskräfte "sichtbar zu machen", wie Schlack erklärte. Über die AI-Webseite ist es möglich, eine entsprechende Petition zu unterzeichnen, mittels der die Politik aufgefordert wird, einen menschenrechtskonformen Rahmen für die 24-Stunden-Betreuung in Österreich zu schaffen.
Konkret brauche es ein rechtliches Rahmenwerk, das sicherstellt, dass alle Betreuungskräfte - ob selbstständig oder unselbstständig - "sichere und faire Arbeitsbedingungen vorfinden". Auch müssten bundesweit Kontroll- und Beschwerdemöglichkeiten geschaffen werden, darüber hinaus brauche es Unterstützungsangebote für Betreuerinnen in deren eigener Sprache. Es müsse zu einer flächendeckenden Zertifizierung von Agenturen kommen, bei der auch die Einhaltung der Rechte der Personenbetreuungskräfte berücksichtigt werden. Und bei der kommenden Pflegereform müssten auch die Stimmen der Betroffenen gehört werden, so die Forderung. Zu finden ist auf der AI-Seite auch eine Checkliste, mittels derer Vermittlungsagenturen besser eingeschätzt werden können.
Ausbeuterische Zustände
Angesprochen auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts in Deutschland, das entschieden hatte, dass 24-Stunden-Pflegekräfte als Angestellte zu werten seien, sagte Schlack, auch in Deutschland werde von ausbeuterischen Zuständen gesprochen. Konkret wollte sie das Urteil nicht kommentieren, es sei aber wichtig, dass es vorliege. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) hatte dazu am Vortag gegenüber dem Ö1-Radio erklärt, es werde zu prüfen sein, ob das Urteil auch für Österreich große Auswirkungen hat. Die Entscheidung zeige jedenfalls, "wie wichtig dieses Thema ist und wie sehr wir uns eben damit auseinandersetzen müssen, weil das Problem gibt es in Österreich auch", so der Minister.