Eine Verurteilung wegen räuberischen Diebstahls, zwei nach dem Suchtmittelgesetz, dazu fast ein Dutzend Anzeigen wegen diverser Gewalttaten - und trotzdem ist der 18-jährige Afghane, der des Mordes an einer 13-Jährigen in Wien verdächtigt wird, noch immer in Österreich. Wie kann das nach Jahren versprochener Härte im Asylwesen noch immer sein?
2015, so ist es in den Akten des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl dokumentiert, war der Mann im Zuge der großen Migrationswellen nach Österreich gekommen. Als unbegleiteter Minderjähriger bekam er - weil er nicht nachweisen konnte, in Afghanistan persönlicher Verfolgung ausgesetzt zu sein - zwar kein Asylrecht zugesprochen, wohl aber subsidiären Schutz. Heißt: Er durfte in Österreich bleiben, weil eine Rückkehr nach Afghanistan allgemein zu gefährlich gewesen wäre.
2018 und 2019 wurde der Jugendliche zweimal wegen Drogendelikten verurteilt - das BFA nahm das zum Anlass, ihm im August 2019 seinen Schutz abzuerkennen.
Das hätte zu jenem Zeitpunkt noch nicht automatisch eine Abschiebung zur Folge gehabt - ein Minderjähriger, der nicht zweifelsfrei Betreuung in seiner Heimat hat, darf nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nicht einfach so abgeschoben werden -, nach dem 18. Geburtstag wäre dem aber nichts mehr im Weg gestanden.
Fall liegt seit eineinhalb Jahren beim Bundesverwaltungsgericht
Wäre. Denn der Afghane brachte Berufung gegen die Entscheidung ein - und wandte vor dem Bundesverwaltungsgericht ein, die Aberkennung des Schutzstatus' sei unverhältnismäßig. Eine Frage, die eigentlich schnell entschieden sein sollte - drei Monate, länger dürfte so ein Verfahren dem Asylgesetz nach nicht dauern. Aber seit der Berufung sind inzwischen mehr als eineinhalb Jahre vergangen, der Afghane wurde erneut straffällig, zur Strafe eingesperrt und wieder entlassen - eine Entscheidung über die Aberkennung seines Schutzes gibt es aber immer noch nicht.
Der Fall liegt noch immer beim Bundesverwaltungsgericht - und solange er dort nicht entschieden ist, darf nicht abgeschoben werden.
Kommentar
Enormer Rückstau an Asyl-Prüfungen
Der Hauptgrund für diese Verzögerung: Die Asyl- und Fremdenrechtsabteilung am BVwG hat noch immer einen enormen Rückstau durch jene Fälle, die in der Folge der Migrationswelle 2015 und 2016 angefallen sind. Aktuell liegt dort übrigens noch immer ein beträchtlicher Teil beeinspruchter BFA-Bescheide zu Asylansuchen, die bereits in den „Flüchtlingsjahren“ 2015/2016 gestellt worden sind.
Ein Ablauf, der in der Praxis aber viele Jahre in Anspruch nehmen kann, wie Verfassungsrechtsexperte Bernd-Christian Funk der Kleinen Zeitung vor kurzem erklärt hat. „Das hat mehrere Gründe. Um die rechtsstaatliche Qualität solcher Verfahren zu gewährleisten, muss zum einen genau geprüft werden, ob die Angaben der Person stimmen und sie ein Recht auf Schutz hat. Zum anderen legen die Betroffenen natürlich oft jede Menge Rechtsmittel ein, um ihre Möglichkeiten auszureizen. Auch das zieht das Verfahren zusätzlich in die Länge.“
Fall-Berg schmilzt nur langsam ab
Um die Dauer dieser Verfahren zu verkürzen, habe die Politik in den vergangenen Jahren einige Maßnahmen gesetzt. Schnellverfahren und die staatliche Organisation der Rechtsberatung für Asylsuchende durch die neue – noch unter Türkis-Blau gegründete – Asyl-Agentur nennt Funk hier als Beispiele. Diese genannte Agentur berät seit Anfang Jänner auch bezüglich einer freiwilligen Rückkehr in die Herkunftsländer, die nunmehr zuständige Justizministerin Alma Zadic ist zufrieden mit ihrer Arbeit.
Dem BVwG, dem großen Flaschenhals im Asylrecht, hilft das aber nur wenig. Im Geschäftsjahr 2019 arbeitete es sich von mehr als 34.000 anhängigen Fällen zu Beginn auf rund 27.000 zum Jahresabschluss herunter - Afghanen stellen von diesen Verfahren mit mehr als jedem fünften Fall den größten Anteil. Ein mühsames Abarbeiten, in dem einzelne Fälle über Jahre liegen bleiben können.