In der Woche vor dem Parteitag sammelte Pamela Rendi-Wagner Unterstützungserklärungen: Am Montag traf sie Wiens Bürgermeister Michael Ludwig. Den Dienstag verbrachte sie mit den Gewerkschaftschefs Wilhelm Mernyi und Rainer Wimmer. Und am Mittwoch besuchte sie die neue Parteizentrale in Graz: „Die steirische SPÖ steht hinter der Vorsitzenden“, versicherte der steirische Parteichef Anton Lang danach. Und auch der Wiener Bürgermeister betonte: „Es gibt eine starke Zustimmung für unsere Bundesparteivorsitzende.“
Wie stark die wirklich ist, wird sich morgen zeigen. Am SPÖ-Parteitag stellt sich Rendi-Wagner der Wiederwahl als Parteichefin. Dass sie wieder gewählt wird, steht außer Frage. Wie viele der 642 Delegierten ihr ihre Stimme geben, ist aber offen. 97,8 Prozent waren es beim letzten Parteitag vor drei Jahren. In der Parteizentrale stapelt man sicherheitshalber tief. Alles über 80 Prozent sei ein Erfolg, heißt es dort. Rendi-Wagner selbst nannte 71,4 Prozent als Latte, weil ebenso viele Parteimitglieder ihr vor etwas mehr als einem Jahr bei einer Mitgliederbefragung ihr Vertrauen aussprachen.
Dass sie heute immer noch SPÖ-Chefin sein würde, war damals noch nicht abzusehen. Zum Unmut vieler Parteikollegen stellte sie vergangenen Frühling nicht nur inhaltliche Positionen, sondern auch sich selbst infrage. „Dead woman walking“, tuschelten Genossinen und Genossen bei der Klubklausur der Wiener SPÖ, die im Zeichen der anstehenden Wahl stehen sollte, aber von der Personalfrage überschattet wurde - und von den Desinfektionsfläschchen, die bei der Veranstaltung erstmals verteilt wurden. Am Ende der Woche ging Österreich in den ersten Lockdown. Das Coronavirus war in Österreich angekommen.
Der Epidemiologin Rendi-Wagner sicherte es das politische Überleben. Als Expertin für Öffentliche Gesundheit verkörperte sie Expertise und Vertrauenswürdigkeit. Sie ging politische Allianzen ein, mahnte zur Vorsicht, trieb die Teststrategie voran. „Sie spielte ihre Kompetenz gut aus und verzichtete darauf, auf andere hinzuhauen“, sagt der Politikberater Thomas Hofer. Das macht sich bezahlt: In Umfragen liegt die SPÖ wieder bei etwa 27 Prozent, also bei einem Wert, mit dem sie früher den Bundeskanzler stellte. Zu anderen politischen Themen hingegen meldete sie sich kaum zu Wort, Interviewanfragen lehnte sie konsequent ab.
Vor dem Parteitag gibt sich Rendi-Wagner gut gelaunt und gelassen. In einem Trailervideo singt zu „Come together“ von den Beatles. Querschüsse aus den Ländern wurden zuletzt leiser. Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, einer ihrer lautesten Kritiker, zog sich aus allen Führungsgremien der Bundespartei zurück. Doch auch wenn die Konflikte verstummt sind - beigelegt sind sie noch lange nicht.
Dafür, dass sie am Parteitag nicht hochkochen, sorgt das Programm: Zehn Leitanträge, die keine Gefahr bergen, zu Kontroversen zu führen. Der Vorstoß zur Änderung des Staatsbürgeschaftsrechts, der auch intern für Diskussionen sorgte, steht nicht am Programm. Dabei wirft er zwei symptomatische Fragen auf, die sich innerhalb der SPÖ viele stellen: Wie strategiesicher ist Rendi-Wagner? Und: Wo legt die SPÖ ihren Fokus? Auf Wirtschafts- oder Sozialpolitik?
Eine Antwort darauf wird der morgige Parteitag nicht geben. „Bevor die Personalfrage gestellt wird, sollte die Ausrichtungsfrage beantwortet werden“, meint ein Delegierter, der morgen „mit Bauchweh“ für Rendi-Wagner stimmen wird. Auch Thomas Hofer erwartet: „Pamela Rendi-Wagner wird ohne große Wellen als Parteichefin bestätigt werden“, und fügt hinzu: „Eine Festlegung auf eine Spitzenkandidatur für die nächste Wahl ist das aber nicht“.
Veronika Dolna