Wiens Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) will trotz breiter Kritik am neuen System zur Lehrerzuteilung für die Pflichtschulen festhalten, betonte er am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Bei Reformen gebe es immer auch ein paar Punkte, wo es wehtut. Der Wechsel zu einem "einfacheren, gerechteren und transparenteren" System sei aber notwendig. Bildungsdirektor Heinrich Himmer will mit jenen Schulen, für die der Umstieg Kürzungen bringt, nach Lösungen zu suchen.

Mini-Chancenindex

Zuletzt sei die Lehrerzuteilung so kompliziert gewesen, dass sie selbst für sie schwer nachvollziehbar gewesen sei, betonten Wiederkehr und Himmer. Das neue System sieht nun vor, dass Schulen ein Basiskontingent erhalten, das auf der Zahl der Klassen und einem Zuschlag pro Schüler beruht. Für größere Klassen, in denen aus pädagogischen Gründen öfters Teilungen stattfinden, bekommt eine Schule damit mehr Posten. Bei diesem Kontingent könnten die Schulleiter viel freier als bisher entscheiden, was mit dem Geld passiere, betonte Himmer. Dazu kommen vom Bund vorgegebene Mittel (etwa für Deutschförderklassen), außerdem eine Art Mini-Chancenindex, der mehr Stellen für Schulen vorsieht, an denen es besonders viele Schüler mit Förderbedarf gibt. Außerdem gibt es Mittel für von Experten der Bildungsdirektion definierte pädagogische Projekte, etwa Schulschwimmen oder muttersprachlichen Unterricht.

Weniger Lehrerposten

Für Unmut sorgte nun, dass durch diese Systemumstellung viele Schulen ab Herbst mit weniger Lehrerposten dastehen als bisher. Laut Himmer bekommen 100 der 500 Schulen weniger Ressourcen, weil es dort im Herbst weniger Klassen geben wird. Insgesamt steigt bei den Mittelschulen rund die Hälfte der Schulen mit mehr Posten aus, die andere Hälfte mit weniger. Ähnlich ist das Verhältnis bei den Volksschulen. "Wir können niemandem mehr geben, ohne jemand anderem etwas wegzunehmen", so Himmer. Insgesamt gebe es allerdings nicht weniger Ressourcen im System, sondern mehr, betonte Wiederkehr.

Inklusionsklassen

Besondere Herausforderungen gab es dabei bei den Inklusionsklassen, wo es gesetzlich nun nicht mehr möglich sei, ein Kind mit sozialpädagogischem Förderbedarf doppelt zu zählen und so die Klassen klein zu halten. In Wien werde es dennoch auch in Zukunft keine Inklusionsklassen mit 25 Schülern geben, betonte Himmer und verwies darauf, dass die Stadt Wien zehn Prozent der Gesamtmittel für Inklusion und Sonderpädagogik ausgebe, obwohl der Bund nur für drei Prozent der Schüler Mittel zur Verfügung stelle. Bei den Mehrstufenklassen wiederum, in denen Kinder verschiedener Altersstufen gemeinsam lernen, habe man für einheitliche Voraussetzungen sorgen müssen. Denn neben jenen Standorten, die für diese Modell extra Mittel bekommen haben, gebe es auch andere, die keine zusätzlichen Posten oder sogar weniger bekommen haben.

Das Ziel der Reform sei freilich nicht, gute bestehende pädagogische Angebote zu zerstören, betonte Himmer. Die Bildungsdirektion werde sich deshalb mit allen Schulen, an denen die neue Ressourcenzuteilung Probleme erzeuge, zusammensetzen und alternative Möglichkeiten suchen. An den Bund appellierte Wiederkehr, endlich den auch im türkis-grünen Regierungsprogramm verankerten Sozialindex umzusetzen.

Rücktritte gefordert

Die Oppositionsparteien übten in Aussendungen weiter Kritik an der Systemumstellung: "Statt der versprochenen Transparenz kommen Chaos und untragbare Verhältnisse an die Schulen. Das hat bislang nicht einmal die SPÖ geschafft", so der Wiener ÖVP-Bildungssprecher Harald Zierfuß. Die Wiener Grünen orteten "Kürzungen ohne Not" und warfen den NEOS "Bildungsraub" vor. Die Partei erhalte unzählige Rückmeldungen, wonach Brennpunktschulen trotz ihrer besonderen Bedürfnisse von ebenso starken Kürzungen betroffen seien wie andere Standorte. Die FPÖ sah einen "rot-pinken Bildungskahlschlag" und forderte den sofortigen Rücktritt Wiederkehrs und Himmers. SPÖ-Bildungssprecherin Petra Vorderwinkler sah indes den Bund in der Verantwortung: Angesichts der zunehmenden Herausforderungen an Schulen, vor allem in der Stadt, brauche es mehr Lehrerstellen vom Bildungsministerium.

Problem Ganztagsschulen

Bereits in der Vorwoche haben Vertreter von Ganztagsschulen gewarnt, dass durch die Systemumstellung der für diese Schulform typische Wechsel von Unterricht und Betreuung nur noch eingeschränkt möglich wäre. Außerdem würden weniger Lehrer zu weniger pädagogischem Angebot wie Schülerparlament, Schulchor oder klassenbezogenen Angeboten wie Skitagen oder Theaterbesuchen führen. Auch die Lehrervertretung hatte Kritik geübt: Viele Direktoren hätten in Erwartung von mehr Posten pädagogische Projekte geplant, die nun abgeblasen werden müssten. Einzelne Schulen machten mit offenen Briefen auf die negativen Folgen der Umstellung aufmerksam. In der Offenen Volksschule Zennerstraße in Wien-Penzing etwa warnt man davor, dass dort "nach 25 Jahren erfolgreicher pädagogischer Arbeit" die Führung von Mehrstufenklassen nicht mehr möglich sein wird.

"Gerechtere Verteilung"

Die Bildungsdirektion betont in einem Schreiben an die Schulleitungen, dass alle vom Bund zur Verfügung gestellten Ressourcen bis auf die letzte Stunde verteilt worden seien. Die Umstellung des Zuteilungssystems sorge für eine gerechtere Verteilung, habe aber nicht für alle Standorte nur positive Auswirkungen. "Dies ist insbesondere der Fall, wenn die SchülerInnenzahlen in den Klassen gering sind, wenn Dreifachbesetzungen bisher im Stundenkontingent möglich waren, wenn eine zu große Zahl an Spezialprojekten durchgeführt wurde." Dabei werde allerdings kein einziger Lehrer gekündigt, für freiwerdende Lehrkräfte würden über den Sommer "neue und adäquat geeignete Stellen" an anderen Schulen gesucht.