Ob Differenzen beim Thema Migration, Korruptionsermittlungen oder eine potenzielle Anklage gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP): Das Koalitionsklima zwischen ÖVP und Grünen steht derzeit unter Daueranspannung. Jeden Moment könnte einer der beiden Koalitionspartner die Nerven wegwerfen, fürchten manche innenpolitischen Beobachter. Doch selbst wenn die Regierung zerbrechen würde – etliche ihrer Vorhaben dürften trotzdem umgesetzt werden. Dafür sorgen die Aufbauhilfen der Europäischen Union.
Denn ein Großteil der Pläne, die Österreich als 700-Seiten-Papier eingereicht hat und die -inklusive Kurzbesuch von Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen – von der EU genehmigt wurden, finden sich auch im türkis-grünen Regierungsprogramm. Und das ist dank der Europäischen Kommission nun womöglich über den Bestand der Koalition hinaus festgeschrieben.
Ursula von der Leyen schloss bei ihrem Besuch in Wien am Montag eine Finanzierungs- und Darlehensvereinbarung ab. Der Rat, also die Mitgliedsstaaten, erlassen dann eine Durchführungsverordnung, die den Plan bestätigt. Damit besteht Rechtsgültigkeit. 13 Prozent der 3,5 Milliarden, die Österreich insgesamt bekommt, werden in den nächsten Wochen als Vorfinanzierung ausbezahlt. Der Rest kommt erst, wenn es Fortschritte bei den Reformen und Investitionen gibt.
Dazu wurden für jedes Projekt Etappenziele und Zielwerte definiert. Erst, wenn die erreicht sind, fließt wieder Geld. Und das wird auch für künftige Regierungen gelten, die dann fortführen müssen, was Türkis-Grün sich vorgenommen haben – oder eben auf das Geld aus Brüssel verzichten.
EU fordert Etappenziele ein
Im türkis-grünen Österreich-Plan ist etwa der Austausch von Öl- und Gasheizungen durch klimafreundliche Heizsysteme vorgesehen. Das kostet pro Projekt zwischen 20.000 und 25.000 Euro und wird daher großzügig gefördert: Mit 5.000 Euro vom Bund und nochmal 3.000 bis 8.000 Euro von den Ländern. 550 Millionen Euro werden diese Förderungen kosten, schätzt die Regierung. 209 Millionen, also beinahe die Hälfte, sollen aus dem EU-Fonds kommen. Aber eben nur, wenn die Maßnahme tatsächlich umgesetzt wird.
Das gleiche gilt für die „klimafitten“ Ortskerne, also Förderungen für die thermische Sanierung von Gemeindegebäuden oder die Umstellung der Energieversorgung auf Fern- und Nahwärme. 60 Millionen Euro sollen dafür bereitgestellt werden, 50 davon aus EU-Geldern – wenn es von der Regierung, die im Amt ist, wenn die Förderungen ab dem Jahr 2025 ausgezahlt werden, umgesetzt wird.
Auch das 123-Ticket und die geplante öko-soziale Steuerreform inklusive CO2-Preis sind in Österreichs Wiederaufbauplan festgeschrieben – mit konkretem Zeitplan. Bis Jahresende soll es „erste nationale und/oder regionale“ Tickets geben. Im ersten Quartal 2022 soll die öko-soziale Steuerreform umgesetzt werden. Weil 123-Ticket und die Steuerreform allerdings nicht als Investition eingereicht wurden, kann die EU-Kommission keine konkrete Summer zurückgehalten werden, falls es doch nicht umgesetzt wird.
So lange Österreich Geld aus dem Aufbauhilfentopf bekommt, kann die jedendalls EU-Kommission einfordern, dass umgesetzt wird, was sich Türkis-Grün vorgenommen haben. Liegen lassen würde das Geld wohl keine nachkommende Regierung. Denn die Schulden, die die EU für den Wiederaufbaufonds aufnimmt, muss Österreich in jedem Fall zurückzahlen.
Veronika Dolna