Der bisherige FPÖ-Klubchef Herbert Kickl ist mit 88,24 Prozent zum Parteichef der Freiheitlichen gewählt worden. Er tritt damit offiziell die Nachfolge Norbert Hofers an, der Anfang Juni nach Personaldebatten den Hut geworfen hat.
Hofer zeigte sich zum Abschied versöhnlich, Kickl kämpferisch. Auch Kritik an Kickl wurde beim Parteitag laut. Der neue Obmann zeigte dafür Verständnis, gab aber auch die Stoßrichtung vor: "Gerne auch rechts." Die Corona-Maßnahmen geißelte Kickl als "Gesundheits-Kommunismus" und warnte vor weiteren Einschränkungen.
Ein Gegner Kickls hatte vor der Rede des neu zu wählenden Obmanns in einem Rede-Beitrag kein Hehl aus seiner Ablehnung gemacht: Karl Wurzer, stellvertretender Landesparteiobmann in Niederösterreich kündigte offiziell an, gegen die neue Führung zu stimmen. Dafür gab es Buh-Rufe vieler Delegierter, weswegen Generalsekretär Michael Schnedlitz erst einmal beruhigen musste. Das freie Wort zeichne die FPÖ aus, appellierte er an das Plenum.
Dort schloss auch Kickl an. Diskussion und Kritik gehörten zur FPÖ und seien das Salz in der Suppe - was "allemal besser als zu süß" sei. Die Freiheitlichen seien eine lebendige Partei. "Ich will ja kein Nachlassverwalter sein", so Kickl. Zur offen geäußerten Kritik am Parteitag meinte er, dass dies immer "aus einem großen Geist der Gemeinsamkeit heraus" geschehe.
"Türkises Wimmerl auf schwarzem Korpus"
Konfrontation suchte Kickl, der sich bei seinem "Lehrmeister" Jörg Haider bedankte, lieber ein weiteres Mal nach außen und teilte naturgemäß gegen alle Parteien aus, vor allem gegen die "türkise Karrieristen-Bagage". So bezeichnete er die ÖVP-Spitze als "türkises Wimmerl auf einem schwarzen Korpus". Aber auch die SPÖ, deren "letzte Vernunftbegabte" - gemeint ist Hans Peter Doskozil - sich in die pannonische Tiefebene verzogen hätten. Die Grünen wiederum seien von der Macht regelrecht "zugekifft" und "zugedröhnt".
Offen sympathisierte Kickl mit einer Neuwahl und machte klar: "Wir spielen nicht auf Unentschieden. Wir gehen auf den Platz, um zu gewinnen". Zu seiner politischen Gesinnung stellte Kickl klar, dass Vieles, "was heute als rechts verunglimpft" werde, schlicht normal sei. Hofer wiederum erwies Kickl "spezielle Worte der Ehrerbietung", man sei sich einig, was die freiheitliche Aufstellung betrifft - und hin und wieder dürfe man sich auch in einzelnen Punkten uneinig sein.
Hofer: "Du hast meine Stimme, meine Unterstützung!"
Kickls Vorgänger hatte sich in seiner Rede zuvor ein weiteres Mal versöhnlich gezeigt. Im Gegensatz zu früheren Obmann-Wechseln in der FPÖ übergebe er die Parteiführung nun in Freundschaft und Stärke, sagte Hofer in seiner Rede und in Richtung seines Nachfolgers Kickl: "Du hast meine Stimme, du hast meine Unterstützung!" Er selbst, Hofer, habe das "Schiff" FPÖ - nachdem dessen Kapitän Heinz-Christian Strache "von der Brücke gespült wurde" - wieder in einen sicheren Hafen gebracht. Kickl werde dieses wieder hinausführen.
Kickls größter interner Kritiker, Oberösterreichs Landesparteiobmann Manfred Haimbuchner, bedankte sich bei Hofer für dessen ehrliche Freundschaft und machte auch gleich klar: "Ich werde auch weiterhin meine Meinung in den Gremien sagen. Denn wenn zwei immer einer Meinung sind, ist einer überflüssig." Dennoch wünschte er Kickl viel Kraft und meinte in Richtung des neuen Obmanns: "Lieber Herbert, den Zusammenhalt wirst du spüren. Du wirst auch die Kraft meiner Landesgruppe spüren."
Strache bekam 98,7 Prozent
Der außerordentliche Parteitag der Freiheitlichen dürfte am Samstag nur kurz dauern, stand neben der Wahl Kickls und des niederösterreichischen Landesobmanns Udo Landbauer zum neuen Stellvertreter sonst nichts auf der Tagesordnung. Der geschäftsführende Parteichef Stefan kündigte aber für das kommende Jahr einen weiteren - ordentlichen – Parteitag an, bei der alle anderen anstehenden Punkte ausführlich behandelt werden sollen.
Die Ablösung Hofers durch Kickl war in der Partei zwar nicht auf ungeteilte Zustimmung gestoßen, aber große öffentliche Kritik gab es daran nicht. Der Oberösterreicher Manfred Haimbuchner hatte sich im Ringen um die Spitze zwar hinter Hofer gestellt, hat im Wahljahr allerdings auch wenig Interesse an Schlagzeilen über parteiinternen Zwistigkeiten.
Misst sich Kickl an seinem Vor-Vorgänger Heinz-Christian Strache, liegt die Latte für seine Kür durch die 760 Delegierten hoch: Bei seiner letzten Wahl 2017 bekam der über das Ibiza-Video gestolperte Langzeitparteichef 98,7 Prozent Zustimmung. Hofer kam 2019 auf fast ebensoviel, nämlich 98,3 Prozent. Bei einem schwachen Ergebnis kann Kickl auf Jörg Haiders erste Wahl verweisen: Dieser übernahm die Freiheitlichen 1986 mit 57,7 Prozent - allerdings in einer Kampfabstimmung gegen den amtierenden Parteichef Norbert Steger.