Auch die Grünen sind für einen vereinfachten Zugang zur Staatsbürgerschaft, wie ihn der Kärnter SPÖ-Chef Peter Kaiser nach einem Parteivorstandsbeschluss gefordert hatte: Am Grünen Bundeskongress in Linz wird die Wiener Landesgruppe am kommenden Sonntag einen Antrag einbringen, den Zugang zur Staatsbürgerschaft zu erleichtern. „Wir rechnen mit 100 Prozent Zustimmung“, sagt der interimistische Wiener Parteichef Peter Kristöfel.
Dass immer mehr Menschen, die in Österreich wohnen, nicht die Staatsbürgerschaft besitzen, wird in regelmäßigen Abständen debattiert – besonders, wenn Wahlen anstehen. Bei der Wien-Wahl im vergangenen Oktober waren drei von zehn Einwohnern über 16 nicht wahlberechtigt. In einigen Grätzeln war sogar jeder zweite von der Wahl ausgeschlossen.
Die von der SPÖ vorgeschlagene Regelung würde nach ersten Schätzungen der ÖVP bedeuten, dass knapp eine halbe Million Drittstaatsangehörige auf einen Schlag österreichische Staatsbürger werden könnten und damit wahlberechtigt sind – EU-Bürger sind da noch nicht einmal eingerechnet.
Kontroverse in der Regierung
Dass die türkis-grüne Bundesregierung das Staatsbürgerschaftsgesetz ändert, ist aber mehr als unwahrscheinlich. Im Regierungsübereinkommen gibt es keinen einzigen Satz zum Staatsbürgerschaftsrecht. Und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sprach sich am Mittwoch gegen einen erleichterten Zugang zu Staatsbürgerchaft aus: „Das würde einen massiven Pull-Effekt für Zuwanderung auslösen“, sagt er. „Wer die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen will, muss auch einen entsprechenden Beitrag in der Gesellschaft leisten – das „Hier-sein“ alleine kann dafür keinesfalls reichen.“
Auch Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) lehnt eine „Express-Staatsbürgerschaft“ ab. „Staatsbürgerschaft steht am Ende einer erfolgreichen Integration in unserer Gesellschaft“, sagt sie.
SPÖ-Vorstand einstimmig dafür
Der SPÖ-Parteivorstand hatte am 23. April einstimmig beschlossen, dass der Zugang zur Staatsbürgerschaft erleichtert werden soll. Diese Reformvorschläge gehen auf einen Antrag der Sozialistischen Jugend am SPÖ-Bundesparteitag 2018 zurück, der der Arbeitsgruppe Migration unter der Leitung des Kärntner Landeshauptmannes Peter Kaiser zugewiesen wurde. Von dieser wurden die nun vorliegenden Vorschläge ausgearbeitet und diese dann im Bundesparteivorstand einstimmig beschlossen.
Nach sechs Jahren rechtmäßigem Aufenthalt in Österreich soll es demnach einen Rechtsanspruch auf den Erwerb der Staatsbürgerschaft geben - sofern alle weiteren Kriterien erfüllt sind. Bei kurzfristigen Unterbrechungen des Aufenthalts - bis hin zu einem Auslandssemester - soll diese Zeit nachgeholt werden können und nicht dazu führen, dass die Frist von neuem zu laufen beginnt. Wenn ein positiver Asylbescheid erfolgt, ist der Zeitraum anzurechnen. Bei negativer Entscheidung des Asylverfahrens gibt es keine Möglichkeit zur Beantragung einer Staatsbürgerschaft, auch wenn sechs Jahre vergangen sind.
Dem Staatsbürgerschaftsrecht will die SPÖ auch ein Element des "Geburtsortsprinzips" hinzufügen: Ein in Österreich geborenes Kind soll automatisch bei Geburt die Staatsbürgerschaft bekommen, wenn zumindest ein Elternteil fünf Jahre legal im Bundesgebiet aufhältig ist. Dass sich hier geborene und aufgewachsene Menschen mühsam ihren Weg zur Staatsbürgerschaft bahnen müssen, hält die SPÖ für "desintegrativ", es trenne in den Schulklassen und hemme die Teilhabe.
Kaiser will Zusammenhalt stärken
Senken will die SPÖ auch die finanziellen Hürden für den österreichischen Pass. Die Staatsbürgerschaft soll all jenen Personen offenstehen, die in den letzten sechs Jahren zumindest in 36 Monaten nicht zum überwiegenden Teil die Sozialhilfe bezogen haben. Die Bundesgebühren von derzeit 1.115 Euro für die Einbürgerung sollen ersatzlos gestrichen werden. Die Landesgebühren, die derzeit in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich hoch sind, sollen auf entsprechend niedrigem Niveau vereinheitlicht werden.
Statt der derzeitigen Prüfung in Multiple-Choice-Form zur Erlangung der Staatsbürgerschaft schlägt die SPÖ einen Staatsbürgerschaftslehrgang vor, "der partizipativ unsere Grundrechte und Demokratie erfahrbar macht". Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung und der daraus ableitbaren Grundprinzipien sowie der Geschichte Österreichs, der liberalen Demokratie, sollen auf Basis dieses Lehrgangs vermittelt werden.
Kaiser spricht von einem "Paradigmenwechsel", die SPÖ wolle mit diesem neuen Staatsbürgerschaftsrecht den Zusammenhalt in Österreich stärken. "Damit sollen Antworten auf neue Lebensrealitäten gegeben, die Integration gefördert und Teilhabe ermöglicht werden. Im Vordergrund stehen nicht mehr Faktoren wie die Herkunft der Eltern oder finanzielle Hürden, sondern die persönliche Entscheidung.
Die SPÖ tritt für ein Staatsbürgerschaftsrecht ein, das nicht mehr die Vergangenheit in den Fokus nimmt, sondern die gemeinsame Zukunft", erläuterte der Kärntner Landeshauptmann. Für Integrationssprecherin Nurten Yilmaz ist die Staatsbürgerschaft "nicht die Krone, sondern der Motor der Integration".
Veronika Dolna