Ab dem kommenden Schuljahr startet an den neunten Schulstufen der AHS und BMHS der verpflichtende Ethikunterricht für jene Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen. Ethische Grundfragen sollen dann aber auch in den Religions-Lehrplänen dargestellt werden - eine entsprechende gemeinsame Erklärung haben Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) und Vertreter der Religionsgemeinschaften am Montag unterzeichnet.
Derzeit wird Ethik an 233 AHS und BMHS (berufsbildenden mittleren und höheren Schulen) als Schulversuch für jene angeboten, die konfessionslos oder vom Religionsunterricht abgemeldet sind. Dieser wird ab Herbst ins Regelschulwesen überführt und damit im Ausmaß von zwei Wochenstunden an 922 Standorten verpflichtend - begonnen wird 2021/22 zunächst mit den neunten Schulstufen, im Jahr darauf folgen die neunten und zehnten usw. Der Endausbau wird dann 2024/25 (AHS) bzw. 2025/26 (BMHS) erreicht sein. Am heutigen Montag wurden auch die Lehrpläne für den Ethikunterricht erlassen. Ausgenommen sind vorerst die Polytechnischen Schulen und Berufsschulen - an letzteren gibt es in den meisten Bundesländern auch keinen verpflichtenden Religionsunterricht.
Im Ethikunterricht soll es primär um keine Vermittlung oder Reproduktion von Wissen gehen, betonte Faßmann bei einer Pressekonferenz. Im Mittelpunkt solle vielmehr das Stellen von Fragen stehen - über diese solle dann gemeinsam reflektiert und zu Antworten gekommen werden - "auch wenn diese Antworten immer nur vorläufige sind".
Gleichzeitig sollen solche ethische Fragen auch im Religionsunterricht aufgegriffen werden. Dabei würden diese aber anhand der jeweiligen religionsspezifischen Sichtweisen dargestellt, so der Minister. Gleichzeitig sollen auch die Sichtweisen anderer Religionen dazu sowie jene des staatlichen Ethikunterrichts behandelt werden. Selbstverständlich erhalten bleibt der autonome Teil der Lehrpläne der Religionsgemeinschaften, der sich mit bekenntnisorientierten Fragen beschäftigt.
In den Ethik-Lehrplänen (es gibt jeweils eigene für AHS sowie die jeweiligen BMHS-Zweige wie HTL, HAK etc.) festgehalten wird, dass die zentrale fachliche Grundlage des Unterrichtsgegenstandes die Praktische Philosophie darstellt. Behandelt werden sollen unter anderem Themen wie Menschenrechte, Glück, Soziale Beziehungen, Sucht, Natur und Wirtschaft, Medien, die Grundlagen der Weltreligionen, aber auch säkulare Weltanschauungen, Tierrechte und Tierschutz, Sexualität und Liebe, Konfliktbewältigung, Diversität und Diskriminierung, Krankheit und Tod, Konsum oder Technik und Wissenschaft.
Die SPÖ fordert in einer Aussendung Ethikunterricht für alle Schüler - also nicht nur für jene, die sich von Religion abgemeldet haben. Kritik übte Bildungssprecherin Petra Vorderwinkler in einer Aussendung außerdem daran, dass im nunmehrigen Modell nicht einmal Berufs- und Polytechnische Schulen umfasst sind. Auch die NEOS verlangen Ethikunterricht für alle ab der ersten Schulstufe. "Die heutige Vereinbarung sieht wieder nur vor, dass ethische Fragen durch den Blick einer Religionsgruppe behandelt werden, das ist nicht das, was gebraucht wird", so Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre. Der Katholische Familienverband begrüßte dagegen die Vereinbarung.
Am Mittwoch wird das Thema außerdem im Unterrichtsausschuss besprochen. Dann werden dort die Forderungen des Volksbegehrens "Ethik für alle" behandelt, das knapp 160.000 Unterschriften erreichte. Dieses forderte die Einführung eines vom Religionsunterricht entkoppelten Ethikunterrichts als Pflichtfach für alle Schüler von der ersten bis zur letzten. Schulstufe, ein abgeschlossenes Ethik-Lehramtsstudium als Mindestqualifikation für Ethiklehrer sowie Unvereinbarkeitsregeln für Ethik-und zugleich Religionslehrer. Die heutige Vereinbarung sehen die Volksbegehrer als "Mogelpackung": "Wer meint, dass eine Debatte über Sterbehilfe oder Schwangerschaftsabbruch im Rahmen des katholischen Religionsunterrichtes oder eine Diskussion über die Rolle der Frau in der Gesellschaft oder über das Verhältnis Staat-Religion im Rahmen des islamischen Religionsunterrichtes mit einer entsprechenden Behandlung im Rahmen des Ethikunterrichtes gleichzusetzen ist, unterschätzt die Intelligenz von Frau und Herrn Österreicher."