Die Chats zwischen dem suspendierten Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek und Wolfgang Brandstetter, dem inzwischen zurückgetretenen Verfassungsrichter auf ÖVP-Ticket, könnten für beide ein gerichtliches Nachspiel haben, glaubt Rechtsanwälte-Präsident Rupert Wolff.
Die Staatsanwaltschaft werde wohl wegen des Verdachts der Amtsgeheimnis-Verletzung ermitteln, sagte er zur APA. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) legte er nahe, im Falle einer Verurteilung zurückzutreten.
Klar sei, dass Pilnacekund Brandstetterfür höchste Justiz-Positionen nicht "fit and proper" seien. Mit seinem Rücktritt habe Brandstetter aus der Sicht eines Juristen die richtige Entscheidung getroffen, so Wolff, "dennoch wird das ein Nachspiel haben". Die mögliche Verletzung des Amtsgeheimnisses beim Austausch über VfGH-Interna sei ein Tatbestand nach dem Strafgesetzbuch, letztlich müsse die Staatsanwaltschaft da tätig werden. Dies gelte gleichermaßen für Pilnacek als Beteiligter.
Die versuchte Intervention Pilnaceks beim - dafür unzuständigen - steirischen Landeshauptmann Hermann Schüzenhöfer (ÖVP), um seiner Frau einen Posten am Oberlandesgericht in Graz zu sichern, dürfte aus Sicht des Präsidenten des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages dagegen keine rechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen. Mehr als einen untauglichen Versuch, sich per nächtlicher SMS für das berufliche Fortkommen seiner Ehefrau einzusetzen, sah er darin nicht.
Verhalten erinnert an Donald Trump
Vieles an der "Niveaulosigkeit" in Pilnaceks Äußerungen im Chat erinnere ihn aber an Bemerkungen des früheren US-Präsidenten Donald Trump in dessen Umgang mit Frauen, meinte Wolff. "Das disqualifiziert eigentlich den Sektionschef Pilnacek für ein weiteres Tätigbleiben in dieser Position." Die Bevölkerung erwarte sich nämlich eine gewisse Demut für das Amt und Respekt für die Republik Österreich. Konsequenz daraus müsse sein, dass beim Recruitment für Spitzenposten auch im öffentlichen Dienst die persönlichen Qualitäten per Psychotest getestet werden sollte.
Dass sich Österreichs Justiz dennoch ihre Unabhängigkeit bewahren konnte, sieht Wolff allein dadurch belegt, dass die Staatsanwaltschaft - richterlich bewilligt - jene Sicherstellungen und Hausdurchsuchungen durchführen konnten, die dieses "erschreckende Bild von Zuständen im Inneren" sichtbar gemacht hätten. Dass die ÖVP deshalb die Justiz angreife, sei "nicht akzeptabel" und ein "Bärendienst am Staat", der die Partei letztlich auch selbst in Gefahr bringen könnte.
Reformbedarf in der Justiz sieht Wolff am ehesten in der Unternehmenskultur. Verfolge man die Medienberichterstattung, dann sehe man, dass die Interventionen Pilnaceks bei den Staatsanwälten nicht über Weisungen gelaufen seien, sondern über die Berichtspflichten, Disziplinaranzeigen und das Madigmachen vor anderen Kollegen. "Man müsste die Möglichkeit beseitigen, dass Staatsanwälte durch andere Mittel als Weisungen unter Druck gesetzt werden", so der Rechtsanwälte-Präsident.
Keine Einschränkungen beim Zugriff auf Daten
Einschränkungen beim Zugriff auf Smartphone-Daten im Zuge von Ermittlungen will Wolff "auf gar keinen Fall". Denkbar ist für ihn aber, dass es keinen parlamentarischen Untersuchungsausschuss über Bereiche geben könnte, wo noch strafrechtliche Ermittlungen laufen.
Bezüglich der Amtsfähigkeit von Kanzler Kurz, sollte er wegen Falschaussage vor dem U-Ausschuss angeklagt werden, erinnerte Wolff an die Unschuldsvermutung. Anders wäre es im Falle einer Verurteilung, wobei der Rechtsanwälte-Präsident hier vor allem an moralische Standards erinnerte. "Wäre ich Bundeskanzler, würde ich zurücktreten", so Wolff über diesen hypothetischen Fall. Tue er das nicht, dann werde dies wohl bei der nächsten Wahl Konsequenzen zeitigen.