In Wien sind als Reaktion auf die Veröffentlichung der äußerst umstrittenen Islam-Landkarte über Nacht mehrere Warnschilder aufgetaucht, die offenbar von Unbekannten vor Moscheen in der Stadt angebracht worden sind.
"Achtung! Politischer Islam in deiner Nähe", ist auf den Kartontafeln zu lesen. Dazu ist auf den Schildern eine grimmig dreinblickende Figur abgebildet und es wird auf die Website der Islam-Landkarte verwiesen. Laut Medienberichten wurden die Schilder an mehreren Orten gesichtet, wer dafür verantwortlich ist, ist bislang völlig unklar. Ermittlungen dazu laufen. Die Aufmachung lässt darauf schließen, dass es sich um eine provozierende Aktion handelt.
Gegenüber "Heute" erklärte die Stadt Wien, dass die Schilder definitiv gefälscht sind und nie bei der zuständigen Behörde eingereicht wurden. Laut der Wiener Landespolizeidirektion wurden die Schilder am Mittwoch entfernt, teils physisch sichergesellt und dem Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) übergeben, das die Ermittlungen übernahm.
IGGÖ: Landkarte muss sofort offline genommen werden
Die islamische Glaubensgemeinschaft Österreichs (IGGÖ) geht von einer Aktion rechtsextremer Gruppierungen aus. IGGÖ-Präsident Ümit Vural fordert dazu auf, dass die Landkarte von der Dokumentationsstelle für Poltischen Islam bzw. der dafür zuständigen Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) sofort offline genommen wird.
"Muslimische Einrichtungen befinden sich aufgrund der pauschalen Verurteilung und dem Schüren von Misstrauen in akuter Gefahr. Ich rufe die politischen Verantwortungsträgerinnen energisch dazu auf, diesem unwürdigen Kapitel der Islampolitik unverzüglich ein Ende zu setzen und ihrer Verantwortung für den Schutz der österreichischen Bürgerinnen und Bürger nachzukommen!", so Vural. Die islamische Glaubensgemeinschaft habe zudem bereits mit den Sicherheitsbehörden Kontakt aufgenommen, um diese um Schutz für ihre Einrichtungen gebeten.
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) übte am Mittwoch ebenfalls harsche Kritik an den Schildern: "Ich verurteilte auf schärfste Aktionen dieser rechtsextremen Kreise, die sich zum Ziel setzen, Menschen zu stigmatisieren", sagte er in einer Pressekonferenz. Was er mindestens so ernste nehme, sei jedoch das, was im "politischen Vorfeld" geschehen sei. Er habe gewarnt, dass keine Schritte gesetzt werden sollten, die Personengruppen in einer Großstadt wie Wien auseinanderdividieren würden. Er kritisieren politische Entscheidungen, "die solche radikalen Maßnahmen unterstützen". Er lehne jedoch auch Drohungen gegen politisch Verantwortliche ab, fügte er hinzu.
Der Wiener SPÖ-Gemeinderat Omar Al Rawi, der eines der Schilder am Mittwoch in Meidling entdeckt hat, wendet sich in seiner Kritik explizit an Integrationsministerin Raab. "Der Segen der Islam-Landkarte hinterlässt auch schon Spuren in meinem Heimatbezirk. Vielen Dank Frau Minister für die Stigmatisierung und Hetze", schreibt er auf Twitter.
Integrationsministerin Raab verurteilte die Aktion: "Dass der legitime Kampf gegen den Politischen Islam von extremistischen Gruppierungen missbraucht wird, ist völlig inakzeptabel und klar zu verurteilen." Weder lasse man zu, dass rechtsextreme Gruppierungen den Kampf gegen den Islamismus missbrauchen, um ihr extremistisches Gedankengut zu befeuern, noch lasse man sich durch Drohungen von islamistischer Seite vom Weg abbringen, so Raab: "Wir müssen als Gesellschaft weiterhin gegen den Extremismus von allen Seiten konsequent vorgehen." Auch die Dokumentationsstelle Politischer Islam distanzierte sich dezidiert von der Vereinnahmung durch rechtsextreme Akteure.
Das Projekt Islam-Landkarte selbst hatte sie am Dienstag noch verteidigt. Die Landkarte sei ein Forschungsprojekt, dementsprechend müsse man auch die Freiheit der Wissenschaft sehen. Auch inhaltlich hält sie die Karte für den "absolut richtigen Weg".