Auch am Tag nach dem überraschenden Rücktritt von FPÖ-Parteiobmann Norbert Hofer sitzt der Schreck in den freiheitlichen Reihen tief. Sogar für die Parteispitze kam der Schritt vollkommen überraschend. Aus den Ländern hört man aber bereits erste Unterstützungsbekundungen für jenen Mann, der einen maßgeblichen Beitrag zu Hofers Abgang geleistet hatte - sein Stellvertreter und Klubobmann Herbert Kickl. Er gilt aktuell als aussichtsreichster Kandidat für den Chefposten. Wann Kickl als solcher festgelegt wird bzw. auf einem Parteitag gewählt wird, ist aber noch unklar.
Wird Kickl FPÖ-Chef, hat das nicht nur für die Freiheitlichen Konsequenzen. Denn eine Kickl-FPÖ würde deutlich anders auftreten als es die Hofer-FPÖ zuletzt getan hatte. Ein Überblick darüber, wie sich das auf die Freiheitlichen, aber auch alle anderen Fraktionen auswirken könnte.
FPÖ
Für die Freiheitlichen würde der Obmann-Wechsel vor allem eines bedeuten: einen gesicherten Platz in der Opposition. Während Hofer stets als gemäßigter Freiheitlicher auf eine Positionierung rechts der Mitte geachtet hatte, würde Kickl seinen scharfen und angriffigen Oppositionskurs wohl auch als Chef fortsetzten. Was die Partei in nächster Zeit wohl endgültig aus möglichen Koalitionsverhandlungen nehmen würde. Intern halten das viele für die genau richtige Strategie. Vom kantigen Kurs verspricht man sich, Wählerstimmen zu gewinnen und erst in ein paar Jahren wieder über mögliche Koalitionen nachzudenken.
Der nun bekundete Rückhalt für Kickl in vielen Teilen der Partei kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit Landesparteichef Manfred Haimbuchner ein mächtiger Anhänger des gemäßigten Hofer-Kurses in Oberösterreich sitzt. Er muss im Herbst eine Wahl schlagen und hat wenig Interesse an einem aggressiven Kurs im Bund. Ein Aufbegehren gegen Kickl wäre aus jetziger Sicht aber dennoch wenig realistisch - zum Wohle der Partei.
ÖVP
Kurzfristig reibt man sich bei den Türkisen die Hände. Der parteiinterne Streit hatte die mediale Aufmerksamkeit von den Ermittlungen gegen Kanzler und Finanzminister abgelenkt, ebenso wie von der umstrittenen Islam-Landkarte. Zudem hofft man unter einer Kickl-FPÖ auf bürgerliche freiheitliche Wähler und Wählerinnen, denen der Kurs des neuen Chefs zu hart ist.
Doch langfristig würde der neue Parteiobmann auch Schwierigkeiten für die ÖVP bedeuten. Einerseits werden die Angriffe auf sie als Lieblingsgegner deutlich schärfer werden, als sie es zuletzt schon waren. Und andererseits geht der Kanzlerpartei bei einer möglichen Neuwahl eine Koalitionsoption verloren. Zugegeben, auch mit Hofer als Chef hätte es einiges für eine Neuauflage von Türkis-Blau gebraucht. Dennoch steht man sich inhaltlich näher als mit allen anderen. Doch mit einer Kickl-FPÖ ist aus ÖVP-Sicht aktuell kein Staat zu machen.
SPÖ
Auch für die Sozialdemokraten ist eine Kickl-FPÖ kein möglicher Koalitionspartner. Das war sie aber auch unter Hofer nicht, ein entsprechender Parteibeschluss, der eine Zusammenarbeit ausschließt, ist weiter aufrecht. In der SPÖ schielt man aber auf eine mögliche Rückkehr von enttäuschten Wählerinnen und Wählern, die man in den letzten Jahren an die Freiheitlichen verloren hatte. Einige von ihnen könnte der harte Kurs von Kickl deutlich zu weit gehen und ein Kreuzerl bei der SPÖ wieder realistischer erscheinen lassen.
Doch auch die eher zurückhaltende Parteichefin Pamela Rendi-Wagner muss sich auf verbale Attacken einer Kickl-FPÖ vorbereiten. Denn nach der ÖVP arbeiten sich die Freiheitlichen am liebsten an ihrer Partei ab.
Die Grünen
In den grünen Reihen darf man freilich nicht mit Wählerzustrom aus der FPÖ rechnen, zu groß sind die inhaltlichen Differenzen. Da den Türkisen aber ein nicht unwichtiger möglicher Koalitionspartner abhanden gekommen ist, wären mögliche Neuwahlen aus ÖVP-Sicht noch unattraktiver. Und das kommt den Grünen zu Gute, denen wohl die Rückkehr in die Opposition drohen würde.
Dank Koalition sitzt man mit der ÖVP aber auch in einem Boot, wenn es um Ermittlungen gegen die Türkisen geht. Das "Verteidigen" des Partners wird von der FPÖ wohl noch lautstarker thematisiert werden. Was der Basis ohnehin sauer aufstößt.
Neos
Während die SPÖ auf FPÖ-Wähler hofft, die Fans der blauen Sozialpolitik sind, schielen die Neos auf jene, die aus dem bürgerlichen Milieu stammen. Und damit auf jene, die Hofers gemäßigter Kurs angesprochen hat. In manchen Bereichen liegen die Positionen beider Parteien nicht ganz so weit auseinander, Stichwort Wirtschaft und Corona-Regelungen. Auf einen immensen Zustrom dürfen die Pinken aber wohl nicht hoffen.
In der gemeinsamen Kritik an der Regierung wird man im Nationalrat aber weiter ähnliche Töne anstimmen. Auch, wenn sie auf pinker Seite deutlich leiser sind.