Herbert Kickl war gerade auf dem Berg, als ihn Norbert Hofer ein letztes Mal überraschte. „Wanderbares Neunkirchen“ hieß der Termin, es hätte eine gemütliche Wohlfühl-Wanderung mit Parteifreunden, Unterstützern und einigen Journalisten im sonnigen Niederösterreich werden sollen; Fotos des passionierten Bergsteigers Kickl in der Natur und im Gespräch mit dem Volk – ein Heimspiel für den FPÖ-Klubobmann.
Es kam anders. Kurz nach 16 Uhr kam beim Waxriegelhaus auf 1.361 Metern Unruhe in die Gruppe: Parteichef Norbert Hofer sei zurückgetreten, hieß es plötzlich – so genau ließ sich das aber nicht bestätigen, man war im Funkloch unterwegs. Kickl, der tagsüber noch der Obmanndebatte eine Absage erteilt hatte, entschwand kommentarlos Richtung Wien – und ließ die Gruppe verduzt zurück.
Schlussstrich unter einer wochenlangen Demontage
Hofers Rückzug als FPÖ-Chef, der Schlussstrich unter einer wochenlangen Demontage durch Kickl, war eine eher chaotische Angelegenheit. Um 16.12 hatte Hofer über seinen persönlichen Twitter-Account verkündet, „Heute ist mein erster Tag nach der Reha – und mein erster Tag nach der Tagespolitik – Ich lege meine Funktion als Bundesobmann zurück und wünsche meinem Nachfolger alles Gute...“.
Keine fünf Minuten später hatte er den Tweet wieder gelöscht. Erst eine halbe Stunde später gab die Partei eine knappe offizielle Bestätigung aus: Ja, Hofer ziehe sich als Parteiobmann zurück – „in den letzten drei Wochen hat er über seine persönliche Zukunft nachgedacht und ist zur Überzeugung gekommen, dass er das Amt des Bundesparteiobmannes nicht weiter ausüben wird.“
Gründe für den Rückzug sind in der Aussendung nicht angeführt – aber Hofer selbst ließ in etlichen Interviews am Dienstagabend keinen Zweifel daran, warum er die Entscheidung getroffen hat: „Ich lasse mir nicht jeden Tag ausrichten, dass ich fehl am Platz bin“, so der 50-Jährige in Richtung Kickls, der immer wieder in Richtung seines Parteichefs gestichelt hatte.
Kommentar
Corona legte Machtkampf offen
Der Machtkampf an der blauen Spitze schwelte lange im Verborgenen. Nach dem Rückzug Heinz-Christian Straches nach Ibiza und Spesenaffäre traten Hofer und Kickl, beide ehemalige Minister unter türkis-blau, im Wahlkampf 2019 als Doppelspitze auf: Hofer als das freundliche, staatstragende Gesicht der Freiheitlichen, der der Regierungsbeteiligung noch immer nachhing – und Kickl als Scharfmacher, der seine Entlassung als Innenminister stolz vor sich hertrug.
Erst die Covid-Krise legte den Konflikt blank: Zur Machtprobe kam es, als Hofer als Dritter Nationalratspräsident die Maskenpflicht im Parlament verteidigte, während Kickl sich und „seine“ Abgeordneten zu nichts zwingen lassen wollte. Nachdem die Mehrheit des blauen Klubs Kickl folgte, erhöhte er den Druck – und stellte zuletzt ganz offen den Führungsanspruch auf die nächste Spitzenkandidatur der Partei.
Hofer, wegen Bandscheibenproblemen auf Kur, reagierte nur noch matt: „Wenn die Katze aus dem Haus ist, feiern die Mäuse Kirtag.“ Worauf Kickl den Vergleich mit „Tom und Jerry“ bemühte: „ das ist für die Katze wenig schmeichelhaft.“
Am Ende traf Hofer die Entscheidung allein: Erwin Angerer, frisch zum Kärntner Landesparteichef erkoren, hatte am Montagabend noch mit Hofer einen Termin mit ihm vereinbart. Auch das gemäßigtere (Anti-Kickl-)Lager um den Oberösterreicher Manfred Haimbuchner wurde von dem Rückzug völlig überrascht.
"Mit Kickl nie unter 12, aber auch nie über 15 Prozent"
Wie es nun weitergeht mit den Freiheitlichen ist offen. Aussichtsreichster Kandidat für die Parteiführung ist Kickl, Haimbuchner steht im Herbst vor Landtagswahlen. Ausgemacht ist das freilich noch nicht: Erstens hat Kickl die Brücken zur ÖVP verbrannt und gilt als Hindernis für eine Neuauflage von türkis-blau; zudem hat sich der Klubobmann auch in der Partei nicht nur Freunde gemacht: „Es gibt Leute in der Partei, die meinen: Mit Kickl fällt die FPÖ nie unter 12 Prozent, schafft aber auch nicht mehr als 15 Prozent“, so ein Funktionär zur Kleinen Zeitung.
Hofer selbst will noch bis Ende der Periode – planmäßig 2024 – als Dritter Nationalratspräsident im Parlament bleiben. Danach will er vollständig aus der Politik ausscheiden. Auch bei der Bundespräsidentenwahl (2016 war er Alexander Van der Bellen nur knapp unterlegen) will er nicht mehr antreten.