Noch ist es eine mediale Diskussion, vor allem weil noch nicht alle Impfwilligen an der Reihe waren. ÖGB-Chef Wolfgang Katzian wie auch AK-Direktor Christian Klein gehen im Gespräch mit der Kleinen Zeitung davon aus, dass die Debatte sehr schnell an Fahrt aufnehmen und im Sommer, spätestens aber im Herbst, die Frage virulent wird: Darf jemand gekündigt werden, wenn er sich nicht impfen lässt - und im selben Atemzug versichert, er würde sich ohnehin jeden Tag testen lassen? Muss ich bei einem Einstellungsgespräch die Wahrheit sagen, wenn ich gefragt werde, ob ich geimpft bin? Ein arbeitsrechtliches Minenfeld.
Gesundheit geht den Arbeitgeber nichts an
ÖGB-Chef Katzian unterscheidet zwischen politischen und arbeitsrechtlichen Aspekten. „Politisch ist die Frage eine eindeutige: Solange es keine Impfpflicht gibt, darf das kein Thema sein. Niemand darf entlassen werden, wenn er sich nicht impfen lässt. Niemandem darf die Einstellung verwehrt werden, wenn er sich der Impfung verweigert.“ Im Übrigen erinnert der ÖGB-Chef daran, dass den Arbeitgeber die gesundheitliche Situation nichts angehe.
Katzian ortet "semantische Diskussion"
Katzian spricht von einer „semantische Diskussion“. Da der Kündigungsschutz in Österreich schwach ausgeprägt sei, würde der Arbeitgeber im Fall des Falles andere Gründe vorbringen. Und bei einer nicht erfolgten Anstellung würden andere Argumente ins Treffen geführt werden, etwa, dass die Person, die den Zuschlag erhalten hat, besser qualifiziert sei.
Indirekte Impfpflicht zum Schutz der Kunden?
Dafür werde er als ÖGB-Chef mit ganz anderen Fragen konfrontiert: Was ist, wenn ein Hochrisikopatient, der zu Hause gearbeitet hat und bisher geschützt war, sich einer Impfung verweigert? Was ist, wenn der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer zur Impfung drängt und die meisten Beschäftigten, um sich selbst zu schützen, damit auch einverstanden sind, es aber ein paar Verweigerer gibt? „Da gibt es tausende Fragen, die wir gerade sammeln.“
Keine fristlose Entlassung möglich
Arbeitsrechtlich sei die Frage, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über die Hintertüre nicht zur Impfung zwingen könne, so AK-Direktor Klein, keine eindeutige. In einem Punkt herrscht, so der Jurist, Klarheit: „Solange es keine staatliche Impfpflicht gibt, kann niemand fristlos entlassen werden.“
Interessensabwägung bei der Kündigung
Anders stellt sich die Situation bei einer Kündigung dar, wenn der Arbeitgeber das Argument auftischt, dass ihm der Schutz seiner Mitarbeiter oder seiner Kunden ein Anliegen ist. Der Gekündigte kann die Kündigung umgehend anfechten, das Gericht muss dann auf Basis von Gutachten den Einzelfall prüfen und eine Interessabwägung vornehmen: „Wenn es medizinisch erwiesen ist, dass die Impfung klare Vorteile gegenüber anderen Präventionskonzepten (Test- oder Maskenpflicht) hat, ist das möglich.“ Hier sei die wissenschaftliche Debatte noch im Fluss. Klein ergänzt allerdings, dass man da nicht alle Beschäftigungsverhältnisse über einen Kamm scheren könne, ein LKW-Fahrer, der allein in seiner Fahrerkabine sitzt, anders zu behandeln sei als ein Bäcker oder eine Supermarktverkäuferin oder jemand, der im Gesundheitsbereich arbeite.
Wahrlich ein arbeitsrechtliches Minenfeld, das sich in den nächsten Wochen und Monaten auftun wird.