"Die Vorwürfe sind falsch." So lautet die Stellungnahme von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Bezug auf die Ermittlungen, die aktuell gegen ihn geführt werden. Die Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft (WKStA) hat diese gegen Kurz und seinen Kabinettschef Bernhard Bonelli aufgenommen, da beide beschuldigt werden, vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss falsch ausgesagt zu haben. Es gilt die Unschuldsvermutung. Obwohl Kurz das bestreitet, rechnet er mit einer Anklage, ebenso wie zahlreiche Strafrechtsexperten, wie ein Rundruf ergab.
Ein Überblick darüber, wie ein solches Strafverfahren aussehen könnte.
Die Anklage
Ob es zu einer Anklage kommt, oder nicht, entscheidet eigentlich die Staatsanwaltschaft. Hält sie eine Verurteilung von Kurz für nicht realistisch, kann sie das Verfahren einstellen. Was zum jetzigen Zeitpunkt eher unwahrscheinlich ist. Wird eine solche Verurteilung jedoch als realistisch angesehen, wird Anklage erhoben, juristisch formal in Form eines Strafantrages. Da es sich beim Kanzler jedoch um einen Fall handelt, dem besonders großes öffentliches Interesse zukommt, folgt vor einer möglichen Anklage noch eine Art "Kontrollphase".
Oberstaatsanwaltschaft und Justizministerin Alma Zadic (Grüne) werden involviert, letztere ist verpflichtet, den Weisungsrat zu konsultieren. Dabei handelt es sich um ein Gremium, das bei der Generalprokuratur angesiedelt ist und das eine Empfehlung an Zadic abgibt, wonach Anklage erhoben oder das Verfahren eingestellt werden soll.
Letzteres müsste angesichts der Signalwirkung des Falles jedoch besonders aufwendig begründet werden, wie einige Strafrechtler anmerken. "Das würde schon ziemlich nach politischer Einflussnahme riechen", erklärt eine von ihnen. Sollte es dennoch so weit kommen, müssen die Rechtsschutzbeauftragten informiert werden, die wiederum eine Fortsetzung des Verfahrens beantragen könnten.
Das Gerichtsverfahren
Geben Weisungsrat und Justizministerin grünes Licht für eine Anklage, kommt es zu einem Gerichtsverfahren. Dafür wäre in diesem Fall das Wiener Landesgericht für Strafsachen zuständig. Führen würde das Verfahren ein einzelner Richter oder eine Richterin. In der öffentlichen Hauptverhandlung würde Kurz befragt werden, der Kanzler könnte sich dort verteidigen. Ihm würden dann seine Aussagen im U-Ausschuss und die sichergestellten Handy-Nachrichten vorgelegt werden. Kurz könnte daraufhin unter anderem mit fehlender Erinnerung an alle Besprechungen in seiner Tätigkeit oder mit der aus seiner Sicht suggestiven Art der Fragestellung im U-Ausschuss argumentieren.
Im Kern wird es darum gehen, dem Kanzler Vorsatz dabei nachzuweisen, die Unwahrheit gesagt zu haben. Oder zumindest, dass Kurz es für möglich gehalten haben könnte, dass die Aussagen falsch sind. Was nicht einfach, aber auch nicht unmöglich ist, erklären Experten. Vom "Tatverlauf" ließe sich auf Motive schließen. Welche Beweismittel gewürdigt werden, entscheidet allein der Richter oder die Richterin.
Das Urteil
Eben dieser Richter oder die Richterin hat dann drei Optionen: Freispruch, Schuldspruch oder Diversion. Letzteres wäre aber nur möglich, wenn der Sachverhalt geklärt ist und der Beschuldigte die Verantwortung für seine Tat übernimmt. Das kann im Zuge einer gemeinnützigen Tätigkeit oder einer Zahlung geschehen. Angesichts dessen, dass Kurz beteuert, dass die Vorwürfe falsch sind, scheint ein solches Eingeständnis wenig realistisch. Auch aus politischer Sicht. Lehnt er aber ab, könnte eine Verurteilung drohen.
Die Rechtsmittel
Sollte es zu einem Schuldspruch kommen, kann der Betroffene beim Oberlandesgericht Berufung einlegen - auch wegen fehlerhafter Sachverhaltsdarstellung. Zudem könnte Kurz bereits zu Beginn des Verfahrens eine Befangenheit des Richters oder der Richterin monieren.
Ein Zeitplan für all diese Schritte ist bisher kaum absehbar. Kanzler Kurz gibt sich zuversichtlich, dass sich die Vorwürfe klären lassen.