Die Grüne üben sich hinsichtlich der Ermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wegen des Verdachts der Falschaussage im U-Ausschuss weiter in Zurückhaltung. Auch Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein enthielt sich am Samstag in der Ö1-Reihe "Im Journal zu Gast" jeglicher Kritik oder Forderung. Jetzt müsse einmal die Justiz prüfen und es sei "nicht Zeit über irgendwas zu spekulieren", sagte er zur Frage, ob der Kanzler im Fall einer Anklage zurücktreten sollte.
Er habe sowohl in den Parlamentarismus "großes Vertrauen" als auch in die Staatsanwaltschaft und das Rechtssystem generell. Und die Grüne Justizministerin Alma Zadic sei "Garant, dass nix daschlogn wird". Man werde sehen, was bei den Ermittlungen rauskommt, blieb Mückstein ganz auf Parteilinie.
Die Regierung sei stabil, die Ermittlungen im Laufen, ein Rücktritt im Falle einer Anklage (noch) kein Thema, sagte auch Werner Kogler gegenüber der Kleinen Zeitung. Der Grüne Parteichef hat keine Lust, sich in die Niederungen der ÖVP-Affären hinunterziehen zu lassen. Er habe dazu beigetragen, dass die Justiz unabhängig arbeiten könne, nun möge sie dies einmal tun. Kogler und Kurz bereisten am Freitag Seite an Seite die Oststeiermark, um die bevorstehende Öffnung in Sport, Kultur und Tourismus an Beispielen zu dokumentieren.
ÖVP-Reihen dicht geschlossen
Aus der eigenen Partei bekam Kurz in samstäglichen Zeitungsinterviews Unterstützung - auch in der Linie, Rücktrittsaufforderungen mit dem Hinweis auf die mittlerweile sehr häufigen Anzeigen gegen politische Gegner zu kontern. "Man kann ein Wahlergebnis nicht durch Anzeigen revidieren. Warten wir also ab, ich habe Vertrauen in die Justiz sowie in eine faire und unaufgeregte Aufarbeitung", meinte etwa Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka in der "Kronen Zeitung".
"Ich habe manchmal den Eindruck: Weil man ihn und uns bei Wahlen nicht besiegen kann, versucht man es halt vor Gericht", sagte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger zur "Presse" - und lehnte einen Rücktritt von Kurz auch bei einer Anzeige klar ab: "Der Kanzler arbeitet Tag und Nacht dafür, dieses Land vorwärts zu bringen", meinte sie und verwies auf die Corona-Pandemie: "In dieser Krise haben wir Tag für Tag alle Hände voll zu tun."
Doskozil empfiehlt Konsequenzen
Sollte gegen Kurz Anklage erhoben werden, erwartet der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) indes, dass dieser "wie ein Staatsmann reagiert". Jeder müsse in dieser Rolle selbst hinterfragen, ob er das richtige gemacht habe, meinte er am Rande einer Pressekonferenz. Nur der Bundeskanzler werde zum jetzigen Zeitpunkt wissen, was im Hintergrund bei den Casinos oder bei ÖBAG-Postenbesetzungen passiert sei.
Der burgenländische SPÖ-Landesgeschäftsführer Roland Fürstriet allerdings seinen Parteikollegen dringend davon ab, Kurz in Allianz mit FPÖ, NEOS und Grünen Kurz im Parlament abzuwählen und danach eine Vierparteienregierung zu bilden. Das "wäre ein schwerer strategischer Fehler", sagte er zur "Presse". "Wir würden hier einen mittlerweile handlungsunfähigen und angeschlagenen Kanzler politisch wiederbeleben und ihn erneut zum Märtyrer machen", meinte er zu, wie er es nannte, "immer dichter werdenden Gerüchte, dass ein solches Vorgehen bereits vorbereitet wird".
Nur eine Wahl würde eine nächste Regierung legitimieren, merkte Fürst an. "Und wenn die Grünen nur einen Funken an politischem Anstand haben, dann beenden sie in absehbarer Zeit diese Koalition, die sowieso nichts mehr zusammenbringt", sagte der in Richtung des kleinen Koalitionspartners.
54% für Blümel-Rücktritt
Trotz der scharfen Kritik der ÖVP am Ibiza-Untersuchungsausschuss sieht eine Mehrheit der Österreicher parlamentarische U-Ausschüsse prinzipiell positiv. 54 Prozent halten sie für ein probates Mittel, um politische Korruption aufzudecken. Dies zeigt eine vom Meinungsforschungsinstitut Unique research für das "profil" durchgeführte Umfrage. 30 Prozent hielten demnach nichts von U-Ausschüssen, 16 Prozent machten keine Angabe.
Dem ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel hat - laut "profil"-Vorabmeldung - der Streit um die verweigerte Akten-Lieferung an den Ibiza-U-Ausschuss weiter geschadet: Mittlerweile sind 54 Prozent der Meinung, Blümel solle zurücktreten. Dies sind um zehn Prozentpunkte mehr als im Februar nach der Hausdurchsuchung in Blümels Privatwohnung. 24 Prozent hielten einen Rücktritt nicht für notwendig, 21 Prozent machten keine Abgaben. Befragt wurden laut "profil" 800 Personen, die Schwankungsbreite beträgt 3,5 Prozentpunkte.