Es regnet in ganz Österreich, doch über Hartberg ist der Himmel blau: Kanzler und Vizekanzler haben sich die Oststeiermark ausgesucht, um die Vorbereitungen für den 19. Mai zu illustrieren. Der grüne Rasen in Hartberg, das weiße Schloss in Pöllau, die azurblauen Wasser in Waltersdorf – ein schöner Tag für Sebastian Kurz und Werner Kogler beginnt mit einem farbenfrohen Auftritt vor Kameras.
„Wir sperren auf“, ist die Botschaft, und die aktuellen Zahlen nähren den Optimismus. Noch ist Vorsicht angebracht, der Abstand Pflicht, die Maske Teil der Alltagskleidung, „aber in zwei Monaten ist es vorbei“, verspricht der Kanzler.
Er meint die Umklammerung durch die Pandemie, und doch spüren die Begleiter, dass es auch ein Befreiungsschlag in eigener Sache ist, den sich der Kanzler so sehr erhofft. Keine Fans, wegen der Angst vor Bildern als Dacapo des Ausflugs ins Kleinwalsertal. Keine Abgeordneten-Entourage wegen der Corona-Regeln. Dafür Journalisten, die nicht locker lassen im Bemühen darum, zu hören, wie es weitergeht mit der Regierung: Wird sie den Sommer überdauern? Kann der Kanzler eine Anklage ignorieren? Übersteht der Grüne Vize die Nibelungentreue zur ÖVP?
Beim TSV Hartberg freut man sich über den hohen Besuch. Auch wenn am 19. Mai eigentlich nicht viel anders wird. Die Profis trainieren schon lange wieder, ebenso – mit Präventionskonzept – der Nachwuchs. Ist der Trainer streng?“, will der Kanzler – im Smalltalk etwas holprig – wissen.
Für den Vizekanzler ist es ein Heimspiel, er ist in der Nähe von Hartberg aufgewachsen, hat auf allen Plätzen rundum schon einmal gekickt. Auch im Stil gibt er sich keine Blöße: Schwarzer Anzug, passende Schuhe dazu – keine Sneakers –, eleganter Regierungs-Tritt über den grünen Rasen. Nur die Krawatte fehlt, da ist er ganz eins mit dem Kanzler. Als hätte man es geahnt, dass die Temperaturen recht sommerlich werden.
Gemeinsam & einsam zugleich
Ansonsten ist wenig Verbindung spürbar zwischen den Regierungsspitzen. Jeder sucht sich jemanden, mit dem er reden kann. Manchmal stellt Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer als Begleitschutz eine Brücke her. Nach außen hin passt kein Löschblatt zwischen Kurz und Kogler: Die Regierung sei stabil, die Ermittlungen im Laufen, ein Rücktritt im Falle einer Anklage kein Thema, auch für Kogler (noch) nicht. Der Grüne Parteichef hat keine Lust, sich in die Niederungen der ÖVP-Affären hinunterziehen zu lassen. Er habe dazu beigetragen, dass die Justiz unabhängig arbeiten könne, nun möge sie dies einmal tun. Ein „Daschlogn“ von Ermittlungen werde es nicht mehr geben.
Schützenhöfer als Schirmherr des Kanzlers wird lauter: Die Vorwürfe gegen Kurz würden sich in Luft auflösen, es sei der „blanke Hass“, der in Österreich regiere und in eine „Menschenhatz“ münde. Die Landeshauptleute stellten sich ohne Wenn und Aber hinter Kurz. Hinter vorgehaltener Hand erfährt man: Kurz ist sakrosankt, aber nicht sein Adlatus, der Finanzminister. In ihm sucht die Basis offenbar zunehmend einen Sündenböck.
Nur in kleinen Gruppen
In Pöllau ist die Stimmung aus anderem Grund weniger sonnig. Blasmusikkapellen ist es ab 19. Mai zwar wieder erlaubt zu proben, allerdings nur in kleinen Gruppen. Statt eines flotten Marsches zum Empfang gibt es für die Politik leere Stühle, darauf verwaiste Blasinstrumente als stummen Protest. Kurz und Kogler vertrösten auf die „nächste Öffnungsrunde“, die jedenfalls deutlich mehr zulassen werde. „Das versprechen wir.“
Aufbruchstimmung dagegen in Waltersdorf, beim Steirerhof. Die Gläser werden gewaschen, die Liegen geputzt. Man hat viel investiert in den vergangenen Monaten. „Wir sind ausgebucht in den Wochen nach dem 19. Mai“, sagt Geschäftsführer Werner Unterweger. Und ist stolz darauf, dass man mit Förderungen die Belegschaft an Bord halten konnte.
Es geht aufwärts
Vor dem Hotel kommt ein Polizist mit Kogler ins Gespräch. Und schlagartig ist die Pandemie wieder da: Der Mann hatte sich mit dem Corona-Virus infiziert, war schwer lang krank, nahm 15 Kilo ab. „Jetzt geht es mir wieder gut“, sagt er. Und nützt die Gelegenheit für ein Selfie mit Kurz und Kogler.
Am 19. Mai geht der Lockdown zu Ende. Drei Millionen Österreicher sind bis dorthin geimpft und geschützt. Das ist die Botschaft des Tages: Es ist noch nicht vorbei, aber es geht wieder aufwärts für Österreich.