Das Bundeskanzleramt und das Außenministerium haben am Freitag wegen der Eskalation im Nahost-Konflikt die israelische Fahne als Zeichen der Solidarität gehisst. Bundeskanzler Sebastian Kurz verurteilte per Aussendung die Angriffe auf Israel aus dem Gazastreifen "auf das Schärfste". Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) betonte: "Österreich steht voll und ganz hinter Israel." Kritik an der Geste kam aus der Türkei sowie von österreichischen Politikwissenschaftern.
Israel habe "das Recht auf Selbstverteidigung gegen diese Angriffe", sagte Kurz und sprach von einem "Zeichen der Solidarität mit den Frauen, Kindern und Männern, die in Israel täglich in Luftschutzbunkern Schutz suchen müssen." Schallenberg betonte, für die "über tausend Raketen, die bisher von der Hamas und anderen Terrorgruppen aus Gaza auf Israel abgeschossen wurden", gebe es keine Rechtfertigung: "Ich bin zutiefst schockiert über Berichte von Übergriffen auf jüdische und arabische Bürger in Israel. Derartige Gewaltausbrüche sind umgehend zu stoppen." Österreich stehe unerschütterlich hinter Israels Sicherheit. "Als Zeichen dafür weht die Flagge Israels auf unserem Haus." Die Übergriffe seien durch nichts zu rechtfertigen.
Heftige Kritik an dem Schritt Wiens übte umgehend die Türkei, "die gespannte Beziehungen zu Österreich hat und im Nahost-Konflikt offen die Palästinenser unterstützt", wie die Nachrichtenagentur AFP formulierte. Die israelische Flagge zu hissen, sei "nicht moralisch", erklärte Präsidentensprecher Ibrahim Kalin im Onlinedienst Twitter. Durch solch ein Verhalten werde Israel in seiner "Aggression" bestärkt.
Scharfe Kritik
Der Politologe und Nahost-Experte Thomas Schmidinger reagierte auf Facebook auf ein Posting von Kurz, der auf das Hissen der Flagge verwies, mit einem scharfen Kommentar: "Anstatt in der Tradition der österreichischen Außenpolitik vermittelnd tätig zu werden, lässt der österreichische Kanzler Kurz am Bundeskanzleramt inmitten eines Krieges einfach die Fahne Israels hissen. Auch hier will jemand wohl bewusst Konflikte schüren, um dann, wenn sich davon wer provoziert fühlt, auf die bösen antisemitischen Muslime zeigen zu können. Für die österreichische Außenpolitik ist damit jedenfalls ein neuer Tiefpunkt erreicht." Der Politikwissenschafter und Experte für Internationale Beziehungen, Gerhard Mangott, twitterte: "Ich bin solidarisch mit den Israelis, die in Bunkern ausharren müssen. Ich bin solidarisch mit den Palästinensern, deren Häuser zerbombt werden. Ich bin solidarisch mit den Gerechten auf beiden Seiten. Aber ich hisse keine Fahne!"
Schutz der jüdischen Einrichtungen
Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) kündigte unterdessen angesichts bisheriger und noch zu erwartender anti-israelischer Demonstrationen in Österreich ein konsequentes Einschreiten der Polizei an. "Alle Landespolizeidirektoren wurden hinsichtlich der Versammlungen in den nächsten Tagen sensibilisiert. Eskalationen müssen verhindert und bei Auftreten von strafbaren Handlungen wird konsequent eingeschritten", betonte der Minister am Freitag.
Bei einer Telefonkonferenz am Freitag mit dem Präsidenten der Israelitischen Religionsgesellschaft Österreich (IRG), Oskar Deutsch, und mit Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) vereinbarte Nehammer unter anderem einen permanenten Kontakt der österreichischen Sicherheitsbehörden mit jenen der Israelischen Botschaft, sowie der Kultusgemeinde. Die Bewachung und der Schutz israelischer und jüdischer Einrichtungen in Österreich sollen verstärkt werden.
Anhand einer Gefahreneinschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz wurde in diesem Zusammenhang laut Landespolizeidirektion Wien für den Bereich der israelischen Botschaft in Wien ein Platzverbot verordnet. "Somit sind das Betreten und der Aufenthalt im Gefahrenbereich verboten."
"Das klare Bekenntnis zum Staat Israel ist Teil der historischen Verantwortung und der modernen österreichischen Identität", betonte Nehammer. "Egal von welcher Seite und mit welcher Intention Antisemitismus betrieben wird - wir gehen konsequent dagegen vor", so der Innenminister weiter. Antisemitismus sei eine Gefahr für das gemeinsame Zusammenleben in Frieden und Freiheit. "Hier gibt es null Toleranz. Der Angriff auf jüdisches Leben in Österreich ist auch ein Angriff auf unsere demokratischen Grundwerte", so Nehammer.
Integrationsministerin Raab verurteilte "zutiefst, wenn Konflikte aus dem Ausland in Österreich ausgetragen werden und Antisemitismus geschürt wird". Die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) verurteilte ebenfalls jede Form von Antisemitismus. "Jeder Mensch hat das Recht zu demonstrieren. Aber Antisemitismus darf in Österreich keinen Platz haben", sagt ÖAW-Präsident Anton Zeilinger in einer Aussendung.
Etwas allgemeiner äußerte sich SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner auf Twitter zum eskalierenden Nahost-Konflikt: "Kein neuer Krieg im Nahen Osten! Eine Waffenruhe muss dringend erreicht werden. Österreich und die EU müssen sich mit ganzer Kraft für ein Ende der Gewalt und einen Neustart zu einer friedlichen Lösung des Nahost Konflikts einsetzen."