Finanzminister Gernot Blümel hat trotz VfGH-Entscheid monatelang keine Akten ans Parlament geliefert. Jetzt hat er sich dafür entschuldigt, falls ein „falscher Eindruck“ entstanden ist. Reicht das?
DORIS BURES: Wenn sich im Verhalten nichts ändert, also im Respekt gegenüber dem Verfassungsgerichtshof, dem Bundespräsidenten und dem Parlament, dann ist diese Entschuldigung nur eine rhetorische Floskel. Das Verhältnis zwischen Parlament und Regierung wird sie nicht verbessern.
Er argumentiert, dass er persönliche Daten von Mitarbeitern schützen wollte. Ist da nicht was dran?
Keine Frage, persönliche Daten von Mitarbeiterinnen sind zu schützen. Das rechtfertigt aber nicht, die verfassungsrechtliche Verpflichtung zu ignorieren, auf die Exekution durch den Bundespräsidenten zu warten und dem Parlament dann sogar Pressemitteilungen in Geheimhaltungsstufe zu übermitteln. Für die Geheimhaltung haben wir eine hervorragende Verfahrensordnung. Wir hatten in früheren U-Ausschüssen schon hochbrisante Themen wie das Bankgeheimnis oder den Verfassungsschutz. Die Parlamentarier haben immer gewusst, wie mit solch sensiblen Materien umzugehen ist.
Diesmal finden sich Details aus Akten oft postwendend in den Medien. Finden Sie das problematisch?
Ich kenne den Vorwurf, dass seitens des Parlaments Unterlagen an die Öffentlichkeit gelangen. Belege dafür gibt es aber nicht. Wir haben ein ganz dichtes Sicherheitssystem mit Straffolgen für Abgeordnete, die das Informationsordnungsgesetz verletzen. Ich bin die Erste, die das auch sanktioniert. Aber derzeit wird der Vorwurf erhoben, um den Eindruck zu erwecken, im U-Ausschuss agieren keine vertrauenswürdigen Personen. Es geht darum, das Parlament zu diffamieren.
Was unterscheidet den Ibiza-U-Ausschuss von anderen?
Die Zuspitzung ist anders als bei Eurofighter-, Hypo, BVT- U-Auschuss. Dazu kommt, dass sich beim Vorsitzenden Wolfgang Sobotka die Frage der Befangenheit stellt. Es gibt kaum eine Sitzung, wo nicht eine mögliche Befangenheit thematisiert wird.
Sie erkennen eine Befangenheit?
Es wird im Ausschuss immer wieder in den Raum gestellt. Ob dem so ist, kann nur er beantworten. Fest steht aber: Die vom Volk gewählten Abgeordneten sind nicht die Erfüllungsgehilfen einer Regierung. Es geht nicht, dass Regierungsmitglieder Einrichtungen des Parlaments in dieser Art und Weise diffamieren. Es ist ureigenste Aufgabe der Parlamentspräsidenten, sich vor die Tätigkeit der Abgeordneten zu stellen, damit sie die Kontrollaufgaben gegenüber der Regierung wahrnehmen können.
Erfüllt Wolfgang Sobotka diese Aufgabe?
Alle Beobachter sehen, dass da Luft nach oben ist. Wenn seitens einzelner Regierungsmitglieder die Aufklärungsarbeit boykottiert wird, weil man sich etwa bei der Befragung an nichts erinnert oder, wie das Bundeskanzleramt, keine Unterlagen zur Verfügung stellt, weil angeblich alles geschreddert wurde, muss man klar sagen: Hier wird eine rote Linie überschritten. Es wird versucht, das Instrument Untersuchungsausschuss in Misskredit zu bringen, vielleicht um Aufklärungsarbeit zu behindern. Wir haben das in letzter Zeit auch schon bei anderen Institutionen gesehen, bei der Justiz, beim Verfassungsgerichtshof. Das sind Säulen unserer Demokratie, da müssen wir sehr sensibel sein.
Sobotka will auch darüber nachdenken, die Wahrheitspflicht im U-Ausschuss abzuschaffen oder Richter den Vorsitz führen zu lassen. Was halten Sie davon?
Wenn das Parlament einen U-Auschuss nicht selbst führt und die Kontrollfunktion nicht selbst wahrnimmt, gleicht das einer Selbstaufgabe. Wir sind das Parlament, kein Gerichtshof. Zur Abschaffung der Wahrheitspflicht muss man ganz klar sagen: Es wäre absurd, in einem Ausschuss die Lizenz zum Lügen zu vergeben. Das wäre ein Freibrief, um jede parlamentarische Kontrolle zu verhindern.
Wie lässt sich verhindern, dass der nächste U-Ausschuss wieder so eskaliert?
Um das Argument zu entkräften, man könne nichts liefern, weil alles geschreddert wurde, kann man darüber reden, Dokumentationspflichten präziser festzuschreiben. Außerdem gehe ich davon aus, dass die Abgeordneten die Frage der Transparenz diskutieren werden. Kontrolle braucht Transparenz!
Wenn der U-Ausschuss im Fernsehen übertragen wird, wird er dann nicht immer mehr zur „Löwinger-Bühne“, wie es Ministerin Köstinger ausdrückt?
Ich weise diesen Ausdruck auf das Schärfste zurück. Ich bin überzeugt davon, dass die Abgeordneten sehr verantwortungsbewusst mit ihren Aufgaben umgehen.
Jeder Ausschusstag kostet 45.000 Euro, rechnet die ÖVP vor. Ist es das wert?
Was ist Demokratie wert? Was kostet die Tätigkeit des Nationalrats? Wäre es nicht günstiger, uns die Demokratie zu ersparen? Wer solch polemische Rechnungen anstellt, lässt Demokratie zum bloßen Kostenfaktor werden. Das ist gefährlich.
Wie kommt Gernot Blümel da wieder raus?
Wir haben am Montag eine Sondersitzung im Nationalrat. Dort muss er offene Fragen beantworten. Als er im U-Ausschuss geladen war, hat er das nicht getan. Diskussionen über Laptops etc. wollte er gar nicht führen. Wie soll da Vertrauen entstehen, das er als Finanzminister braucht, um das Land durch die Krise zu bringen? Die Abgeordneten werden am Montag entscheiden, ob er das Vertrauen des Parlaments noch genießt.
Veronika Dolna